Sonntag, Dezember 30, 2007

The Village - Das Dorf


USA 2004

++++


„Der Mensch allein ist unvollkommen. Er braucht einen zweiten, um glücklich zu sein.“

(Blaise Pascal, französischer Philosoph und Naturwissenschaftler)


Pennsylvania, wir schreiben das Jahr 1897. „Geh niemals in den Wald!“ ist die Losung, die sämtliche Bewohner des kleinen verschlafen wirkenden Dorfes Covington verinnerlicht haben. Denn dort im Wald leben die „über die man nicht spricht“ (in der Synchronisation unverständlicherweise mit „die Unaussprechlichen“ übersetzt). Kreaturen, die, einer unsichtbaren Gefahr gleich, die Menschen ständig mit ihrer Präsenz in Angst und Schrecken gefangen halten. Angelockt werden sie durch die Farbe „Rot“, weshalb die Dorfältesten einst beschlossen, diesen Farbton aus dem Dort zu verbannen. Zudem schloss man ein gegenseitiges Abkommen, wonach jeder den Lebensraum des anderen niemals mehr betreten solle. Nur der rebellische Lucius (Joaquin Phoenix) will sich diesen Gesetzen nicht länger beugen. Selbst seine große Liebe Ivy (welch eine bezaubernde Newcomerin: Bryce Dallas Howard), die blinde Tochter des rigiden Clanchefs Edward Walker (John Hurt), kann es nicht verhindern, dass er eines Tages den Wald aufsucht. Eine neue Zeitrechung beginnt: Sowohl für die „Unaussprechlichen“, als auch für die Dorfgemeinschaft.

Als wäre nach Werken wie Unbreakable und Signs nicht auch noch dem letzten Kinogänger klar geworden, dass Shyamalan keine Thriller oder gar Horrorfilme dreht, preist Verleiher Buena Vista The Village leider in Trailern weiterhin unbeirrt als Gruselmärchen klassischer Prägung an. Sollte dahinter nicht eine bewusste Irreführung des potentiellen Zuschauers stecken, muss man wohl den Werbestrategen schlichtweg Unfähigkeit unterstellen. Mag sein, dass diese Kampagne zunächst die Massen anlockt (wer sieht sich schon freiwillig ein diskussionsintensives Drama an?), längerfristig dürfte sich die fast zwangsläufig einsetzende negative Mundpropaganda jedoch als Bumerang erweisen. Etikettenschwindel nennt man so etwas, für den der Regisseur letztlich die Prügel bezieht. Genauso wenig wie Signs ein Film über Aliens war, ist The Village ein Film über Waldkreaturen. Dabei hat sich Shyamalan längst von einem begabten Autodidakt, der seine Filme auf einen finalen Plottwist aufbaute, zu einem kompletten Filmschaffenden weiterentwickelt. Eine Entwicklung, die mit dem tragischen Duell zwischen David Dunn und Elijah Price in Unbreakable begann und die in den Wäldern Pennsylvanias ihre Vollendung erfuhr.

Achtung! Ab jetzt wird leicht gespoilert!

The Village funktioniert gleich auf mehreren Ebenen. Zum einen lassen sich die Geschehnisse in dem kleinen Dorf und in den umgebenden Wäldern als politische Parabel auf das heutige Amerika interpretieren. Eine Sichtweise, die aufgrund von diversen Details wie die Erwähnung der Flugrouten und die Umdeutung der persönlichen Schicksalsschläge nahe liegt. Auch der Name Walker dürfte von Shyamalan nicht zufällig gewählt worden sein, allen anders lautenden Bekenntnissen zum trotz. Die größte Stärke des Films liegt darin, dass dieser einerseits eine politische Deutung zulässt, ohne gleichzeitig ein moralisches Urteil über die Dorfältesten zu fällen. Dieses überlässt Shyamalan dem einzelnen Zuschauer. Entspricht es unserer Ethik und unseren Grundsätzen eine solche Bevormundung zuzulassen und sie eventuell sogar zu unterstützen? Darf man Menschen wohlweißlich eigene Entscheidungen von einer solchen Tragweite abnehmen, in dem man glaubt, es geschehe alles nur zu ihrem Besten? Schlechte Filme geben simple Ratschläge, in der Hoffnung, man würde sie nicht weiter hinterfragen. Wer den Kopf allerdings nicht ausschließlich zum Tragen einer Mütze hat (um einmal „Die Ärzte“ zu zitieren), sollte sich eine eigene Meinung bilden. In The Village findet der Interessierte einen Ausgangspunkt für seine Überlegungen.

Aber auch ohne auf eine derartige moralische Ebene zu abstrahieren, erfreut uns Shyamalans vierte Regiearbeit mit etwas ganz Besonderem: einer der schönsten Liebesgeschichten dieses Kinojahres. Wie Liebe nicht nur als eine abstrakte Idee existieren kann, sondern auch als die größte Kraft, die uns Menschen gegeben wurde, zeigt sich daran, wie Ivy für Lucius die eigenen Ängste überwindet (Zyniker mögen dies der Unerfahrenheit der Jugend zuschreiben). Aus einem scheinbaren Makel, ihrer Blindheit, erwächst ein unschätzbarer Vorteil, da sie am Ende nicht aufgibt und für ihre große Liebe bedingungslos eintritt. Dass sie mit dem Herzen sieht, wäre eine Schlussfolgerung, die nicht nur hoffnungslose Romantiker aus The Village mit nach Hause nehmen könnten. Klingt äußerst kitschig, ist es aber nicht. Denn das Drehbuch umschifft souverän sämtliche Klippen und Fallen billiger Groschenromane. So gehört Lucius’ Liebeserklärung an Ivy zu dem Originellsten, was ich seit langer Zeit in einer Hollywoodproduktion mitanhören durfte. Merke: Stille Wasser sind bekanntlich nicht nur tief, manchmal verbirgt sich sogar ein waschechter Literat in ihnen. Komplimente darf man in diesem Zusammenhang ebenfalls an Joaquin Phoenix und Bryce Dallas Howard verteilen. Inmitten einer durchweg erstklassigen Besetzung (allen voran Hurt, Brody, Gleeson, Weaver) sticht ihr emotionales Schauspiel besonders heraus.

Spoiler Ende!

Shyamalan ist ein großer seiner Zunft. Woran man das erkennt? Indem er sich auch in The Village auf das Wesentlichste beschränkt, unnötige Dinge weglässt, anstatt die Handlung nachträglich zu verkomplizieren. Es ist keine Kunst, bei einem 60 Millionen Dollar-Film über mysteriöse Waldmonster in Effekthascherei abzudriften oder allerlei visuelle Spielereien einzubauen. Diese Gimmicks überlässt er lieber anderen. Für ihn hat die Story höchste Priorität. Den Effekt, den er hierdurch erzielt, überdauert die Halbwertzeit des üblichen Fast Food-Kinos um Längen. The Village ist der Prototyp des perfekten Anti-Blockbusters, das lang ersehnte Antidot für den ganzen Schrott, der unsere Kinos tagtäglich überschwemmt.

Mittwoch, Dezember 26, 2007

Ich weiß, wer mich micht getötet hat - Langer Titel und nichts dahinter


USA 2007

+

Talentlosigkeit gilt heutzutage als chic. Anders ist es jedenfalls nicht zu erklären, warum Selbstdarstellerinnen wie Paris Hilton die Schlagzeilen beherrschen und sich vor allem junge Mädchen danach sehen, als Party-Luder Karriere zu machen. Auch Lindsay Lohan scheint derzeit alles daran zu setzen, sich als Person und Schauspielerin komplett zu diskreditieren. Alkohol- und Drogenexzesse, diverse Verkehrsdelikte und ein überaus peinlicher Party-Exhibitionismus sind nicht dazu angetan, sich noch für die eigentliche Arbeit der 21jährigen zu interessieren.

Wer ihren neuen Film gesehen hat, mag zu der Erkenntnis gelangen, dass man sich nicht nur um Lohans Privatleben langsam ernsthaft Sorgen machen muss. Denn nach den harmlosen, aber doch irgendwie auch charmanten Nonsens-Komödien wie Freaky Friday und Mean Girls sowie einer Nebenrolle in Robert Altmans A Prairie Home Companion erreicht Lohan mit Ich weiß, wer mich getötet hat ein in vielerlei Hinsicht beängstigendes Karrieretief. Das Rezept der Produktion ist dabei ganz simpel: Man nehme einen Star, der die Klatschpresse beherrscht, filme ihn in mehr oder weniger erotischen Posen und mixe das Ganze mit einer gehörigen Portion Gore und plakativer Schockeffekte.

Die Story selber klingt nach einem mit David Lynch-Elementen angereicherten Teenie-Thriller. Aubrey (Lohan) ist ein Mädchen aus gutem Hause und eine strebsame Schülerin. Sie nimmt Klavierunterricht und verfasst eigene Kurzgeschichten. Eines Abends nach einem Football-Match verschwindet sie spurlos. Ihre Eltern (Julia Ormond und Neal McDonough) sowie ihr Freund (Brian Geraghty) befürchten, dass Aubrey etwas Schlimmes zugestoßen sein muss. Denn dass sie einfach abhaut, kann sich niemand vorstellen. Da in der Gegend bereits ein anderes Mädchen vermisst wird, glaubt die Polizei, es mit einem Serientäter zu tun zu haben. Entsprechend groß ist die Erleichterung, als Aubrey nur kurze Zeit später wieder auftaucht. Allerdings ist sie schwer verletzt. Die Ärzte sind gezwungen, ein Bein und einen Unterarm zu amputieren. Mysteriös erscheint, dass sie behauptet, ihr Name wäre Dakota und nicht Aubrey.

Für den Zuschauer beginnt damit ein nur leidvoll spannendes Rätsel um Identitäten, gespaltene Persönlichkeiten und vermeintliche Doppelgänger. Die Erklärung, die der Film letztlich für das Verwechslungsspielchen „Aubrey vs. Dakota“ anzubieten hat, setzt einiges an guten Willen voraus, wobei man sich unweigerlich an eine schlechte Akte X-Folge erinnert fühlt. Macht aber nichts, schließlich geht es Regisseur Chris Sivertson erkennbar nicht um psychologische Raffinesse oder gar eine halbwegs logische Erklärung für die doppelte Lindsay. Er setzt stattdessen auf die Reize seiner Hauptdarstellerin, die als verruchte Stripperin Dakota im roten Scheinwerferlicht posieren und fortlaufend unanständige Wörter aufsagen darf. Dass sie dabei zu jeder Zeit ihren BH anbehält, erhöht sicherlich nicht nur das Frustpotenzial bei ihren männlichen Verehrern, es zeugt zudem von einer ganz neuen Definition des Strip-Berufs, bei dem es auf das Ausziehen von Kleidungsstücken offensichtlich nicht mehr ankommt.

Je weiter die Handlung voranschreitet, desto deutlicher tritt die Einfallslosigkeit des Plots zu Tage. Das Finale im dunklen, mit allerlei angeblich unheimlichen Schnickschnack ausgestatteten Kellergewölbe des Killers vertraut auf die bekanntesten und deshalb wirkungslosen Mechanismen des Suspense-Kinos. Dass man dennoch ab und an zusammenzuckt, kann relativ profan mit der Lautstärke mancher Soundeffekte erklärt werden. In Sachen Gore bietet Ich weiß, wer mich getötet hat zumindest das, was er an anderer Stelle – damit sind Lohans nackte Tatsachen gemeint – vermissen lässt. So gibt es abgetrennte Gliedmaßen gleich mehrfach in überaus hässlicher Nahaufnahme zu bestaunen. Hinzu kommen einige perverse Folter-Varianten wie das Vereisen einzelner Finger, was bereits beim Zusehen einiges an Schmerzen bereitet.

Gäbe es einen Preis für „ästhetische Penetranz“, Ich weiß, wer mich getötet hat würde ihn gegen jede Konkurrenz gewinnen – mühelos. Die Idee, Aubrey und ihrem Alter Ego Dakota eine jeweils eigene Farbe zuzuordnen, reizt Sivertson bis zum Äußersten. Keine Szene kommt ohne ein auffällig blaues bzw. rotes Accessoire aus, was den Film auf eine besonders ermüdende Variante des „Ich sehe was, was Du nicht siehst“-Spiels reduziert. Sogar Safer Sex muss sich hier diesem visuellen Amoklauf unterordnen (ja, die Kondome sind blau).

Lohans erster und hoffentlich auch letzter Ausflug ins Horrorfach ist nur ein weiterer formelbehafteter Psychopathen-Schocker, der aufgrund seiner unterdurchschnittlichen Schauspielleistungen immerhin über einen gewissen Trash-Appeal verfügt. Ernst nehmen lässt sich der krude Horrorthriller trotz aller vermeintlich intelligenter Plot-Twists nämlich bei bestem Willen nicht.

Erschienen bei BlairWitch.de.

Montag, Dezember 24, 2007

Ho ho ho - Frohe Weihnachten!


Wünsche allen, die in regelmäßigen und unregelmäßigen Abständen auf meiner Seite vorbeischauen (und auch denen, die das nicht tun) frohe, besinnliche Weihnachtsfeiertage!

Sonntag, Dezember 16, 2007

Elizabeth - Das goldene Königreich


GB/F 2007

++1/2

Die englische Königin Elizabeth I. prägte ihr Land wie kaum ein anderes Staatsoberhaupt. Ihre Regentschaft währte über vier Jahrzehnte, in denen die Besiedelung der Neuen Welt und der Krieg gegen das streng katholische Spanien unter Philip II. fielen. Nachdem der gebürtige Pakistani Shekhar Kapur in Elizabeth (1998) den Aufstieg der „jungfräulichen Königin“ in opulenten Bildern ausmalte, beschäftigt er sich in seinem zweiten Film über die Monarchin mit den späten Jahren der Elizabethanischen Regentschaft. Das Ergebnis fällt deutlich actionbetonter, aber nicht minder prachtvoll aus.

Filmkritik:

Wir schreiben das Jahr 1585. Obwohl Elizabeth I. (Cate Blanchett) seit fast drei Jahrzehnten das Land regiert, lassen ihre Feinde nichts unversucht, um die aus ihrer Sicht verhasste Monarchin vom Thron zu stürzen. Elizabeths engster Berater Sir Francis Walsingham (Geoffrey Rush) setzt auf ein komplexes Spionagesystem, um die Verschwörer zu enttarnen und die Macht der Königin zu festigen. Ihm gelingt es, ein Mordkomplott aufzudecken, in das auch die schottische Königin Maria Stuart (Samantha Morton) verwickelt sein soll. Doch damit nicht genug. Denn die Bedrohung lauert zugleich im weit entfernten Spanien. König Philip II. (Jordi Mollá) versteht sich als Vorreiter eines fundamentalistischen Katholizismus. Mit Verbündeten wie dem Herzog von Parma und Geld aus Rom formiert er eine mächtige Armada, die England besetzen und die protestantische „Ketzerin“ vom Thron stürzen soll.

Bereits diese beiden Handlungsstränge böten ausreichend Stoff für einen jeweils eigenständigen Elizabeth-Film. Kapur ist aber nicht Peter Jackson, der gleich eine ganze Trilogie über ein Thema abdreht, und so kommt es, dass Elizabeth - Das goldene Königreich in der Gesamtschau deutlich oberflächlicher als sein Vorgänger erscheint. 114 Minuten reichen für eine Analyse der internen Macht- und Ränkespiele nicht aus, wenn das Drehbuch gleichzeitig noch die Darstellung der Seeschlacht gegen die spanische Armada und eine verbotene Romanze zwischen Elizabeths Lieblingszofe Bess (Abbie Cornish) und dem wagemutigen Entdecker Walter Raleigh (Clive Owen) vorsieht. Letztlich behandelt der Film vieles wie Elizabeths nicht immer unproblematisches Verhältnis zu Raleigh nur flüchtig.

Sieht man von dieser Schwachstelle einmal ab, so funktioniert Elizabeth – Das goldene Königreich aber immer noch als bildgewaltiges und verschwenderisch ausgestattetes Historiendrama. Die Palette der detailverliebten Sets reicht von den königlichen Gemächern bis zur wegweisenden Schlacht im Ärmelkanal. Gegenüber dem ersten Elizabeth-Film grenzt sich Das goldene Königreich durch seine stärkere Akzentuierung der Action-Sequenzen ab. Vor allem während der Seeschlacht nutzt Kapur die technischen Möglichkeiten des modernen Blockbuster-Kinos, wobei er seiner eindrucksvollen Bildsprache stets treu bleibt.

Cate Blanchett knüpft an die nahezu perfekte Mimikry aus der ersten Elizabeth-Verfilmung an. Selbst unter zentimeterdicke Schminke geht der aristokratische, divenhafte Charme der Australierin nicht verloren. Blanchett ist mir dieser Rolle als Schauspielerin gewachsen und – das ist alles andere als despektierlich gemeint – auch gealtert. Ihre Ausstrahlung und Präsenz überragt alles. Selbst gestandene Schauspielkollegen wie Clive Owen und Geoffrey Rush fungieren hier bestenfalls als Stichwortgeber.

In einer der letzten Szenen blickt eine glückliche wie erschöpfte Elizabeth dem von brennenden Schiffen rot eingefärbten Horizont entgegen. Es ist eines jener Motive, deren monumentale Kraft auch nach dem Abspann noch lange nachwirkt und die beweisen, dass hinter der Kamera ein Regisseur stand, der wie nur wenige seiner Zunft in großen Bildern denkt.

Für Programmkino.de.

Freitag, Dezember 14, 2007

My Blueberry Nights - Feeling So Blue


USA/HK/CHN 2007

+++1/2

Wong Kar-Wai got the Blues. Sein erster Film in englischer Sprache ist eine sehnsuchtsvolle Elegie, traumhaft photographiert und mit einer Garde herausragender Schauspieler besetzt.

"Ich habe fast ein Jahr gebraucht, um hierherzukommen. Am Ende war es gar nicht so schwer, die Straße zu überqueren. Es kommt nur darauf an, wer auf der anderen Seite auf einen wartet." (Drehbuchauszug)

Dass ein Blaubeerkuchen ein ganzes Leben verändern kann, zeigt Wong Kar-Wais My Blueberry Nights. Natürlich ist hier ein Blaubeerkuchen nicht bloß ein Blaubeerkuchen. Nahezu alles lädt der Meister der Melancholie in seinem ersten in englischer Sprache gedrehten Film mit einer metaphorischen Bedeutung auf. Da werden Highways zu Selbstfindungs-Trips, Schlüssel zu emotionalen Türöffnern und andere Menschen zu Spiegeln der eigenen Persönlichkeit. Die Geschichte ist dabei schnell erzählt und handelt - typisch für den Regisseur - von großen Gefühlen, Liebe, Sehnsucht und dem Schmerz der Einsamkeit.

Alles beginnt in einem kleinen, pittoresken Café irgendwo in New York. Eine junge Frau namens Elizabeth (Norah Jones) scheint sich in ihrem Liebeskummer zu verlieren. Das bemerkt jedoch nur Jeremy (Jude Law), der Café-Besitzer. Nachdem bereits alle anderen Gäste gegangen sind, kommen die beiden ins Gespräch. Sie reden darüber, warum ausgerechnet immer der Blaubeerkuchen verschmäht wird, wieso Liebe in Hass umschlägt und wie dieser einen Menschen innerlich auffressen kann. Obwohl beide spüren, daß da etwas zwischen ihnen ist, was sich mit Worten nur schwer beschreiben läßt, entscheidet sich Elizabeth dazu, New York zu verlassen - ohne bestimmtes Ziel, aber mit dem festen Wunsch, sich über ihr Leben Klarheit zu verschaffen.

Wong Kar-Wai beschreibt die Essenz seines melancholischen Road-Movies als Geschichte über eine Frau, die statt der kürzesten Strecke erst einen Umweg nehmen muß, um den Mann zu treffen, den sie liebt. Die Besetzung der weiblichen Hauptrolle mit der Sängerin Norah Jones sorgte im Vorfeld für einigen Gesprächsstoff; immerhin erwiesen sich Musiker bislang nur äußerst selten als fähige Schauspieler. Doch bei Jones geht das Kalkül auf. Zwar dürfte es kaum für Ehrungen auf Festivals reichen, aber die Vorgabe der Rolle füllt sie nahezu perfekt aus. Elizabeth ist anfangs eine Gefangene, die den Ausbruch aus ihrem eigenen emotionalen Gefängnis probt. Um sich auf etwas Neues - also Jeremy - einlassen zu können, muß sie erst mit der Vergangenheit abschließen. Und das geht nicht, solange sie in New York bleibt.

Jones´ große Rehaugen, ihr verträumter Blick und zärtliches Lächeln: Wong weiß, wie er seine Hauptdarstellerin ins rechte Licht rücken muß, damit man als Zuschauer ihrer Ausstrahlung verfällt - eine im übrigen unabdingbare Vorraussetzung für das Gelingen des Films. Nur wenn man mit ihr fühlt, kann ihre Odyssee durch Amerika funktionieren. Ansonsten stellt sich recht bald die Frage, warum Wong das offensichtliche Ende des Films nicht einfach um eine Stunde vorzieht. Strukturell teilt sich My Blueberry Nights in drei Fragmente auf, die über den roten Faden Elizabeth zusammengehalten und von Wong zu einer Studie in verschmähter Liebe und Einsamkeit verwoben werden.

Nachdem Elizabeth New York verlassen hat, führt sie ihr Weg zunächst in die Südstaaten-Metropole Memphis. Dort nimmt sie zwei Jobs an, in einem Diner und in einer Bar, wo sie Arnie (David Strathairn) kennen lernt, einen bemitleidenswerten Trinker, der nicht damit klarkommt, daß seine Frau (Rachel Weisz) einen anderen Mann liebt. Arnies Fluch ist das Nichtloslassenkönnen. In einem Hollywoodfilm würde Elizabeth vermutlich in die Rolle des rettenden Engels schlüpfen, bei Wong Kar-Wai ist sie nur eine zurückhaltende Wegbegleiterin, die zwar Trost, aber letztlich keine Erlösung spenden kann. Die Episode lebt vor allem von Strathairns großartigem Spiel. Wie er Arnie zu keiner Zeit seine Würde nimmt, wie er ihn auch nahe dem Delirium noch ohne Rückgriff auf platte Trinkerklischees verkörpert (ein angedeutetes Zucken der Unterlippe sagt manchmal mehr als tausend Worte), das zeugt von schauspielerischer Klasse und immensem Einfühlungsvermögen.

Bevor sich der Kreis schließt und Elizabeth an den erwarteten Ausgangspunkt ihrer Reise zurückkehrt, macht der Film einen weiteren Abstecher, diesmal nach Nevada und in die Spielerstadt Las Vegas. Die Geschichte um die scheinbar abgebrühte Poker-Spielerin Leslie (Natalie Portman) und ihr problematisches Verhältnis zu ihrem Vater wartet zwar mit einer netten Pointe auf, kann ansonsten aber nicht an die emotionale Kraft der anderen zwei Episoden anknüpfen. Das mag ganz einfach damit zusammenhängen, daß Leslies Gegenüber - also der Vater - immer ein Phantom bleibt.

Auch wenn Wong Kar-Wai dieses Mal in den USA an Originalschauplätzen drehte, fühlt sich My Blueberry Nights nicht viel anders an als In the Mood for Love oder Chungking Express. Dazu trägt nicht zuletzt Darius Khondjis elegante Kameraarbeit bei, die Wongs alten Kompagnon Christopher Doyle nahezu vergessen macht. Wong ist und bleibt ein Ästhet, jemand, der Gefühle und Stimmungen lieber in Bilder verpackt, statt sie zu Dialogzeilen zu verarbeiten. Der Eindruck, er habe lediglich einen sehnsuchtsvollen Traum, eine flüchtige Phantasie verfilmt, ist das Resultat einer harmonischen Montage aus Bild und Musik. Letztere gibt in einem Wong-Kar-Wai-Film immer den Rhythmus und das Tempo vor. Für seine erste US-Produktion wählte er größtenteils elegische Blues-, Jazz- und Soul-Stücke aus. Ry Cooder komponierte den Score; Norah Jones, Cat Power und Cassandra Wilson interpretieren Originalkompositionen und Klassiker wie Neil Youngs "Harvest Moon".

Natürlich ist My Blueberry Nights trotz seiner unbestreitbaren Qualitäten ein hochgradig stimmungsabhängiger Film. Seine tiefe, ehrliche Melancholie schmerzt. Das soll sie auch. Denn am Ende wartet auf uns und Elizabeth die sehnsüchtig erhoffte Belohnung: ein Blaubeerkuchen - serviert von dem Menschen, mit dem man den Rest seines Lebens verbringen möchte.

Für evolver.

Mittwoch, Dezember 12, 2007

Bee Movie - Das Honigkomplott


USA 2007

++

Als Autor, Produzent und Stimme des gelb-schwarz gestreiften Hauptdarstellers hatte US-Komiker Jerry Seinfeld bei diesem neuesten Animationsfilm aus dem Hause Dreamworks gleich mehrere Finger im Spiel. Zwar blitzt in dem etwas lieblos animierten Bienen-Abenteuer zuweilen Seinfelds typischer Humor auf, davon abgesehen kann der Film aber nicht mit Pixars Wunderwelten mithalten. Zumal er sich zum Ende in einen zweifelhaften logischen/ideologischen Widerspruch verstrickt, der einen schalen Nachgeschmack hinterlässt. Weiter geht's auf Critic.de.

Samstag, Dezember 08, 2007

So far so good - Das Kinojahr 2007

Nach langem Hin und Her, Streichungen, Ergänzungen, schafften es folgende Filme auf meine Top 10-Liste 2007:

(in alphabetischer Reihenfolge)

Beim 1. Mal
Judd Apatow brachte uns die Komödie des Jahres. Seine Geschichte um einen One Night Stand mit Folgen lieferte eine Achterbahnfahrt des Humors. Von subtil und liebevoll bis gnadenlos unter die Gürtellinie reichte die Bandbreite der Pointen. So etwas schaffen jedenfalls nur ganz wenige Komödien.

Death Proof
Tarantino darf in diesem Jahr nicht fehlen. Vielleicht der Film des Jahrzehnts für alle Fußfetischisten! Und auch sonst weiß QT, wie man sein Publikum einfängt.

Gone Baby Gone
Ben Afflecks Regiedebüt lässt kaum Wunsche offen. Das düstere Crime-Drama schickt den Zuschauer auf eine mitreißende und alles andere als leichte Reise. Packend und bewegend.

Letters from Iwo Jima
Clint Eastwoods Weltkriegs-Drama setzt für das Genre neue Maßstäbe. Man kann nur hoffen, dass das einstige Raubein noch viele Filme drehen kann.

The Namesake
Ein Immigranten-Drama über zwei Welten, die auf den ersten Blick nicht zueinander passen. Und zugleich eine großartig gespielte Familien-Chronik, der man noch Stunden zusehen könnte.

Pans Labyrinth
Guillermo Del Toros düsteres Fantasy-Märchen beschwört die Kraft der Imagination in einer Zeit des Horrors. Betörend auf jeder Ebene.

The Prestige
Christopher Nolan ist ein Hexer, ein Magier. Folgerichtig, dass er einen Film über den Wettstreit zweier Illusionisten drehte. Mit jedem Twist öffnen sich hier neue Räume, verstärkt sich die Sogwirkung der Geschichte. Meisterlich!

Ratatouille
Von Pixar kommt wieder einmal der Animationsfilm des Jahres. Und es ist ihr bester seit Findet Nemo. Wer sich danach nicht in die putzige kleine Ratte Remy und Paris verliebt, dem ist nicht mehr zu helfen.

Sympathy for Lady Vengeance
Der Abschluss seiner Rache-Trilogie fällt bei Park Chan-wook zwar ruhiger aber nicht minder packend aus. Bilder wie Gemälde erzählen von einer schrecklichen Tat und ihre Folgen für alle Beteiligten.

Zodiac
Ein ganz und gar ungewöhnlicher Serienkiller-Film kommt von Sieben-Regisseur David Fincher. Mehr Recherche-Krimi denn Psycho-Thriller ist sein neuester vor allem eine Studie in Besessenheit.

An den Top 10 knapp gescheitert sind:

Die Simpsons
Planet Terror
Ein mutiger Weg
Todeszug nach Yuma
Der letzte König von Schottland
Schräger als Fiktion
Superbad

Der Klang des Herzens - Man merkt, Weihnachten steht vor der Tür


USA 2007

Ohne Wertung

Die Macht der Musik und kindlicher Imagination beschwört der neue Film von Kirsten Sheridan (Disco Pigs) über einen Waisenjungen, der sich auf die Suche nach seinen leiblichen Eltern macht. Der kalten Jahreszeit setzt die Tochter des berühmten Filmemachers Jim Sheridan eine Überdosis Kitsch und sentimentales Pathos entgegen, womit sich Der Klang des Herzens als typischer Vertreter des weihnachtlichen Gefühlskinos outet.

Filmkritik:

Zu Weihnachten gehört der Weihnachtsfilm ebenso wie Tannenbau, Bescherung, Festessen und der obligatorische Familienkrach. Bei Der Klang des Herzens, auch wenn darin kein Santa Clause vorkommt und noch nicht einmal Schnee durchs Bild rieselt, handelt es sich eindeutig um einen Vertreter des Weihnachtsfilms. Zumindest lässt die Geschichte über ein junges Musikgenie, das sich nach Jahren der Demütigung und Ausgrenzung auf die Suche nach seinen Eltern begibt, an dieser Klassifizierung nie wirkliche Zweifel aufkommen.

Am Anfang steht eine kurze, aber leidenschaftliche Romanze oder – unromantisch ausgedrückt – ein One Night Stand. Auf einer Party lernt die Ausnahme-Cellistin Lyla (Keri Russell) den smarten Rockmusiker Louis (Jonathan Rhys-Meyers) kennen. Zusammen verbringen sie eine einzige Nacht hoch über den Dächern von New York. Kurze Zeit später bemerkt Lyla, dass sie schwanger ist. Doch noch bevor sie ihr Kind zur Welt bringen kann, wird sie in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt. Ihr Vater (William Sadler), der ehrgeizige Karrierepläne verfolgt, lässt sie in dem Glauben, sie habe eine Fehlgeburt erlitten. Und so wächst der kleine Evan (Freddie Highmore) in einem Waisenhaus auf, wo er von den anderen Kindern zumeist als Freak verspottet wird. Immer stärker reift in ihm der Wunsch heran, das Heim einfach hinter sich zu lassen und stattdessen seinem Herz zu folgen. Dieses verlangt vom ihn, seine Eltern zu finden und sich ganz seiner einzigen Leidenschaft, der Musik, hinzugeben.

Sobald Evan New York erreicht, entwickelt sich die Geschichte in Richtung eines mit Coming-of-Age-Elementen angereicherten Märchens. Die große Stadt erscheint als unübersichtlicher Wald, in dem ein hilfsbereiter Beamter der Jugendfürsorge (Terrence Howard) und ein undurchsichtiger Lebenskünstler (Robin Williams) um die Gunst unseres jungen Helden buhlen. Dieser versucht mittels Musik, die Risse in seiner kleinen Welt zu kitten. Was folgt, ist eine mit Zuckerguss und jede Menge Kitsch überzogene Familienzusammenführung, die in Gestalt eines überdimensionierten Happy Ends vor keiner Sentimentalität zurückschreckt. Irgendwem stehen fortlaufend vor Rührung Tränen in den Augen, während wahlweise süßliche Rock-Balladen oder Streicher als musikalisches Leitthema herhalten müssen.

Regisseurin Kirsten Sheridan – und das ist dann irgendwie wieder sehr sympathisch – unternimmt zu keiner Zeit den Versuch, die viel zu dick aufgetragene Gutmenschen-Botschaft ihres Films zu verstecken. Vielleicht weil sie weiß, dass solch ein Unterfangen angesichts soviel weinerlicher Rührseligkeit ohnehin scheitern müsste. Stattdessen hält sie auch auf die Gefahr hin, dass sich manch ein Zuschauer in Zynismus und Gleichgültigkeit flüchtet, bis in die letzten Einstellungen an einzelnen Motiven wie den leuchtenden Kinderaugen fest. Das kann eigentlich nur einen Grund haben: Der Klang des Herzens versteht sich als Weihnachtsfilm. Und als solcher entzieht er sich den üblichen Bewertungskriterien. Ein „zuviel“ an Gefühl kann es in diesem Genre jedenfalls nicht geben.

Für Programmkino.de.

Mittwoch, Dezember 05, 2007

Für den unbekannten Hund - Wanderjahre


D 2007

++1/2

Ein Schuld und Sühne-Drama im Milieu der Wandergesellen spielen zu lassen, auf diese Idee muss man erst einmal kommen. Die Brüder Dominik und Benjamin Reding führen uns nach ihrem Erstling Oi! Warning erneut in eine für die meisten unbekannte Welt ein, die nach ihren ganz eigenen Regeln und Codes funktioniert. Ihre Geschichte besticht vor allem durch eine außergewöhnliche, expressive Bildsprache. Diese überdeckt so manche schauspielerische Defizite. Weiterlesen auf Critic.de.

Dienstag, Dezember 04, 2007

Todeszug nach Yuma - Männersachen


USA 2007

+++1/2

Hollywood bastelt augenscheinlich an der Renaissance des Westerns. Nur wenige Wochen, nachdem Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford in unseren Kinos anlief, steht schon der nächste Vertreter dieses genuin amerikanischen Genres in den Startlöchern. Mit Todeszug nach Yuma verhilft Regisseur James Mangold dem lange Zeit tot geglaubten Western zu einem mehr als eindrucksvollen Comeback. Sein Remake des 1957 abgedrehten Zähl bis drei und bete bietet all das, was die Faszination dieses Genres über Jahrzehnte hin ausmachte: Furiose Action, einen charismatischen „Bad Guy“, der gegen einen aufrechten Helden antritt, sowie einen spannungsreichen Showdown, der vor der rauen, epischen Kulisse des Wilden Westens von allen Beteiligten erbarmungslos seinen Blutzoll einfordert.

Filmkritik:

Western galten in den letzten Jahren als Kassengift. Ein Grund, weshalb immer weniger von ihnen produziert worden. Seit Clint Eastwoods Erbarmungslos gelang es keinem Vertreter dieses amerikanischsten aller Filmgenres, Publikum und Kritik gleichermaßen zu überzeugen. Man muss daher James Mangolds Mut bewundern, nach seinem Oscar-prämierten Johnny Cash-Biopic Walk the Line ausgerechnet einen Western – noch dazu ein Remake – inszenieren zu wollen. Todeszug nach Yuma basiert auf einer Kurzgeschichte von Elmore Leonard und wurde bereits 1957 mit Glenn Ford und Van Heflin in den Hauptrollen verfilmt.

Der Held und sein Antagonist bilden auch bei Mangold das Herzstück der Erzählung. Der Eine, ein gesetzestreuer Rancher (Christian Bale), leidet unter den widrigen Umständen, unter denen er die eigene Farm bewirtschaften und seine Familie ernähren muss. Seine Gläubiger, die zum korrupten Establishment gehören, fordern immer kompromissloser ihre Schulden ein. Dem tugendhaften Dan Evans steht der berüchtigte Bandit und Outlaw Ben Wade (Russell Crowe) gegenüber. Als Dan zufällig Zeuge eines brutalen Raubüberfalls wird, den Wade und seine Bande verübt, kreuzen sich die Wege der beiden Männer zum ersten Mal. Nur kurze Zeit später bietet sich Dan die Gelegenheit, dem örtlichen Sheriff bei der Verhaftung des gesuchten Schwerverbrechers behilflich zu sein. Für ein Salär von 200 Dollar ist er bereit, Wade mit einigen Männern in den drei Tagesritte entfernten Ort Contention zu bringen. Von dort fährt um 3 Uhr 10 der Zug in Richtung Yuma ab, wo das Staatsgefängnis und die Todesstrafe auf Wade warten.

Mit Russell Crowe und Christian Bale verfügt Mangolds Neuauflage nicht nur über eine erstklassige Besetzung, die beiden Charakterdarsteller laufen im gegenseitigen Nahkampf auch zu wahrer Höchstform auf. Crowes „Bad Guy“ ist verschlagen, kompromisslos und besitzt dabei – so seltsam es klingen mag – doch eine gewisse moralische Integrität. In Christian Bale findet der Oscar-Preisträger einen Gegenspieler auf Augenhöhe. Wie schon im Psycho-Thriller Der Maschinist lassen sich in Bales ausgemergeltem Gesicht der Schmerz und das Leiden seiner Filmfigur ablesen. In Nebenrollen gibt es zudem ein Wiedersehen mit Altmeister Peter Fonda und Jungstar Ben Foster. Gerade letzterer drückt dem Film seinen Stempel auf. In der Rolle des eiskalten Wade-Getreuen Charlie Prince sorgt er für diverse äußerst blutige Intermezzi. Letztlich wirkt gegen ihn selbst Crowes Wade wie ein lammfrommer Pazifist.

Das Original Zähl bis drei und bete bot vor allem packende Wortduelle zwischen den beiden Hauptdarstellern. In seiner Struktur – weite Teile der Handlung spielten sich in jenem Hotelzimmer ab, in dem Dan und Wade auf die Abfahrt des Zuges warteten – und reduktionistischen Ausgestaltung ähnelte der Film dabei eher einem intimen Kammerspiel denn einem typischen Western.

Mangold gesteht dagegen der Einführung seiner Protagonisten und dem Vorlauf bis zum eigentlichen Showdown in Contention ungleich mehr Zeit zu. Erst während der letzten halben Stunde, als Dan und Wade umzingelt von einem schießwütigen Mob in die Enge getrieben werden, tickt die Uhr fast in Echtzeit der für Wade und Dan schicksalhaften Deadline entgegen. Spätestens dann überrollt der titelgebende Todeszug nach Yuma alles und jeden. Mit einer ungezügelten Energie und Leidenschaft spielt Mangold auf der Klaviatur des Genres, dessen Insignien wie der bleihaltige, äußerst blutige Shootout und das moralisch verdorbene Wüstenkaff hier selbstverständlich nicht fehlen dürfen. Kamera, Schnitt und die an Morricone angelegte Musik sorgen für authentisches Western-Feeling. Im Unterschied zu Andrew Dominiks Die Ermordung des Jesse James… ist Mangold nicht an einer Dekonstruktion von Mythen und Legenden gelegen. Statt zu zerlegen, fügt er die einzelnen Teile vor der rauen, epischen Kulisse des Wilden Westens zu einem in sich stimmigen Gesamtkunstwerk zusammen, das in Sachen Spannung und Suspense mit jeder Szene eine Schippe drauflegt.

Für Programmkino.de.