Donnerstag, Januar 31, 2008

Cloverfield - Das YouTube-Monster


USA 2007

+++

Erinnert sich noch jemand an Snakes on a Plane? Jenes amüsante B-Trash-Filmchen, das dank seines dämlichen Titels und einer stetig wachsenden Internet-Fangemeinde bereits vor seinem Kinostart Kultstatus erlangte? Letztlich musste Snakes damit klarkommen, die im Vorfeld geschürten, immens hohen Erwartungen nicht einlösen zu können. Cloverfield – obwohl filmisch dem Schlangenmassaker haushoch überlegen – könnte vollkommen zu Unrecht ein ähnliches Schicksal ereilen. Dabei wurde der Hype um das lange Zeit wie ein Staatsgeheimnis gehütete Monster-Kastastrophen-Spektakel weniger von Fans des Produzenten J.J. Abrams (Lost) sondern von den Machern höchstselber geschürt. Mit gefaketen Nachrichtenmeldungen in verschiedenen Sprachen, die von einer Art Godzilla-Revival in den Straßenschluchten Manhattans berichteten, und einer Vielzahl unterschiedlicher Filmschnipsel heizte man gezielt die Mundpropaganda um das Phänomen Cloverfield an.

Vielerorts war bereits zu lesen, dass der Film das vom Blair Witch Project bekannte visuelle und inhaltliche Konzept auf das Action-Genre übertragen soll. Wacklige Handkamerabilder, natürliches Licht und ein minimalistischer Plot sind dabei auch das Erste, was einem an Cloverfield auffällt. Und dennoch – Hype hin oder her – wäre es falsch, den Film auf den Blair Witch-Vergleich zu reduzieren. Cloverfield leistet nämlich noch etwas ganz anderes: Das Kinodebüt von TV-Regisseur Matt Reeves macht nicht nur in Sachen Action keine Gefangenen, es verpasst dem dahinsiechenden Genre des Monster-Movies darüber hinaus ein überfälliges Facelifting.

Den Prolog für die anschließende Treibjagd durch Big Apple bilden Videoaufnahmen eines glücklichen, offenbar frisch verliebten Paares. Rob (Michael Stahl-David) und Beth (Odette Yustman) filmen sich beim Aufwachen nach der ersten gemeinsamen Nacht. Es folgt ein Zeitsprung. Einen Monat später organisieren Robs Bruder Jason (Mike Vogel) und dessen Freundin Lily (Jessica Lucas) eine Abschiedsparty. Der Job verlangt es, dass Rob nach Japan zieht. Eher am nächsten Tag sein Flieger geht, soll er zusammen mit seinen Freunden aber noch einmal so richtig ausgelassen feiern. Jedenfalls sah so der Plan aus. Doch als plötzlich Explosionen die Stadt erschüttern und Menschen in Panik vor einem monströsen Etwas flüchten, ist die Party schlagartig vorbei. Von nun an gilt die Devise: Rette sich wer kann!

Robs Freund Hud (T.J. Miller), zugleich der Spaßvogel der Truppe, hatte eigentlich den Auftrag, die Abschiedsparty auf Film festzuhalten. Stattdessen wird er zum Chronist einer Katastrophe, die der Zuschauer durch seine Augen hautnah verfolgen kann. Nach der knapp 20-minütigen Einführung, die vor allem dazu dient, mit den unterschiedlichen Charakteren warm zu werden, kennt Regisseur Matt Reeves kein Pardon mehr. Von kurzen Verschnaufpausen einmal abgesehen, die wie in der U-Bahn-Station zudem von einer beklemmenden, klaustrophobischen Stimmung durchzogen sind, entpuppt sich Cloverfield als adrenalintreibendes Chase Movie, dessen Dramaturgie von einem geheimnisvollen Riesen-Ungeheuer diktiert wird.

Dabei entfalten gerade die Szenen die größte Sogwirkung, in denen das lange Zeit nur schemenhaft zu erkennende Godzilla-Double gar nicht einmal selber vorkommt, sondern die sich vielmehr mit der aufsteigenden Angst und Panik innerhalb der Gruppe beschäftigen. Allein die Flucht durch den stockfinsteren U-Bahn-Tunnel steht für Terrorkino in Perfektion. Spätestens dann wird auch klar, dass der Film ohne seine anfangs vielleicht als banal empfundene Exposition nicht funktionieren würde. Erst nachdem wir in Rob und den Anderen nicht mehr gesichtsloses Futter für die Bestie sehen, können wir mit ihnen bangen und leiden.

Als weiterer geschickter Schachzug erweist sich die Entscheidung, den Plot über eine Liebesgeschichte zusätzliches emotionales Gewicht zu verleihen. Damit Rob seiner Beth zur Hilfe eilen kann, ist er gezwungen, in das Zentrum des Chaos und der Zerstörung zurückzukehren – gegen jede Vernunft, gegen jede Ratio. Während die Massen versuchen, Manhattan auf schnellstem Wege zu verlassen, kämpft sich Rob mit jedem Häuserblock ein Stückchen näher an seine große Liebe heran. Leider fällt ihr Wiedersehen mit einem schrecklich klischeehaften Moment zusammen, bei dem man seinen Blick am liebsten schamhaft von der Leinwand abwenden möchte.

Weil Cloverfields gesamte Konstruktion als 84minütiges Augenzeugenvideo einen für das Genre ganz neuen Authentizitätsgedanken postuliert, war es enorm wichtig, dass die digitalen Effekte diese Illusion nicht zerstören. Das Ergebnis kann sich sowohl sehen als auch hören lassen. Realistischer wurde Manhattan jedenfalls noch nie in Schutt und Asche gelegt. Sogar vor amerikanischen Ikonen wie der Statue of Liberty machen Reeves und Abrams nicht halt. Die Wucht der Einschläge lässt einen dabei unweigerlich zusammenzucken, vorausgesetzt die Soundanlage tritt angesichts der zu leistenden Schwerstarbeit nicht irgendwann in den Ausstand.

Die Verpackung mit ihrer verwackelten Handkamera-Optik ist kein inszenatorischer Selbstzweck. Bedenkt man, dass der gesamte Film als ein nach dem Angriff aufgefundenes Videodokument konzipiert wurde, liegt der visuelle Ansatz auf der Hand. Und erst der macht aus Cloverfield einen weit überdurchschnittlichen Schocker, bei dem es letztlich nicht darauf ankommt, dass das Geheimnis um die Herkunft des Monsters nicht gelüftet wird. Warum dieses ausgerechnet in New York wütet, bleibt ebenso ein Rätsel.

Bei seinem Kinostart in den USA sorgten dann auch weniger die recht dreisten Godzilla-Anleihen als die Parallelen zu einem der tragischsten Kapitel der jüngeren amerikanischen Geschichte für hitzige Diskussionen. Zu deutlich ähneln die Bilder von herumirrenden Menschen, einstürzenden Hochhäusern und gigantischen Staubwolken denen vom 11. September. Sogar der Schauplatz ist derselbe. Die Frage, ob man auf diese Weise mit der immer noch angeknacksten Psyche einer Nation spielen darf, kann hier nicht beantwortet werden. Wenn man nach dem Kinobesuch jedoch auf den Times Square tritt und erleichtert feststellt, dass die soeben durchlebte Zerstörungsorgie nur das Produkt einer perfekt choreographierten Hollywood-Fantasie war, gibt es an der Klasse von Cloverfield keine Zweifel mehr.

Erschienen bei BlairWitch.de.

Mittwoch, Januar 30, 2008

Into the Wild - Ausgerechnet Alaska


USA 2007

+++

Fernab der Zivilisation sucht ein junger Mann Antworten auf die großen Fragen des Lebens. In der Verfilmung des Tatsachenromans von Jon Krakauer erzählt Oscar-Preisträger Sean Penn die Chronik einer radikalen Rebellion. Weiter geht's auf evolver.

Freitag, Januar 18, 2008

Once - Weniger ist manchmal mehr


IRL 2006

+++1/2

Wer an Musicals denkt, der erinnert sich zumeist an ausschweifende Gesangs- und Tanzeinlagen, verschwenderische Sets und reichlich Kitsch. Dass es auch anders geht, beweist dieser kleine, sympathische Film aus Irland. Zum Festival-Hit avanciert erzählt Once eine einfache aber unkonventionelle Love Story. Auf die Ohren gibt es dazu feinsten Songwriter-Pop. Weiter geht's auf Critic.de.

Mittwoch, Januar 16, 2008

I'm a Cyborg but that's OK - Schraub mich auf


ROK 2006

+++

Der koreanische Regisseur Park Chan-wook zählt zu den kreativsten Köpfen des asiatischen Kinos. Seine Rache-Trilogie mit dem Meisterstück Oldboy, für das er in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde, zelebrierte die visuellen wie narrativen Möglichkeiten moderner Filmkunst. Zu Parks Markenzeichen gehört aber auch seine Unberechenbarkeit. So hebt sich I’m a Cyborg but that’s OK in vielerlei Hinsicht von seinen früheren Arbeiten ab. Darin wird eine psychiatrische Klinik zum Schauplatz einer skurrilen, fantasievollen und herzerweichenden Liebesgeschichte.

Filmkritik:

Seit Einer flog über das Kuckucksnest müssen sämtliche Filme, die in einer psychiatrischen Klinik spielen, bestimmte Bilder reproduzieren. Dazu gehört neben den wenig erfreulichen Behandlungen mit Elektroschocks und anderen schmerzhaften Therapieformen auch die Darstellung der Insassen als durchgeknallte Sonderlinge, die für den Zuschauer mal mehr, mal weniger unterhaltsam ihre sympathische Verrücktheit ausleben dürfen. Auch Park Chan-wook scheint diese Erwartungen nicht enttäuschen zu wollen. So bedient die erste Stunde seiner romantischen Liebesgeschichte I’m a Cyborg but that’s OK sämtliche Klischees, die sich hartnäckig in Bezug auf psychisch Kranke halten. Erst später, wenn sich der Film von seiner episodischen, fragmentarischen Struktur löst, um der Beziehung zwischen der introvertierten Young-goon (Lim Su-jeong) und dem aufgeweckten Il-sun (K-Popstar Rain) die Bühne zu überlassen, wird erkennbar, welche Intention hinter dem Spiel mit Stereotypen steckt.

Park – und gerade das zeichnet seine Filme neben all ihrer visuellen Raffinesse aus – verliert zu keiner Zeit seine Charaktere und ihre Befindlichkeiten, Wünsche, Ängste und Sehnsüchte aus den Augen. Statt die Eigenarten der Klinik-Insassen als reine humoristische Nummernrevue zu benutzen, etabliert er dank jedes einzelnen Charakters ein skurriles, ebenso komisches wie tragisches Paralleluniversum. Genau dort haben sich zwei Seelen gefunden, wie sie auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten.

Während Il-sun davon überzeugt ist, er könne den anderen Patienten bestimmte Charaktereigenschaften abspenstig machen, glaubt Young-goon, sie sei ein Roboter, ein Cyborg. Da sie ihr Essen verweigert und es bevorzugt, an Batterien zu lutschen, droht sie immer weiter abzumagern. Il-sun will dem nicht tatenlos zusehen. Er fühlt sich zu ihr hingezogen und versucht alles, damit Young-goon endlich wieder isst. Er ist sogar bereit, Young-goon bei der Planung einer gewaltigen Racheaktion zu helfen. In ihrer Phantasie malt sie sich bereits aus, wie es wäre, wenn sie alle Ärzte und das gesamte Pflegepersonal töten würde. Doch noch hält ihr Mitgefühl sie vor der Umsetzung dieser Tat ab. Wie praktisch wäre es in dieser Situation, wenn Il-sun ihr das hinderliche Mitgefühl einfach „wegnehmen“ würde?

Zwar spielen in Young-goons Überlegungen auch Rachegelüste eine Rolle, hauptsächlich drehen sich ihre Gedanken jedoch um ihre vermeintliche Cyborg-Existenz und das Unverständnis, mit dem andere auf sie reagieren. Entsprechend weit ist I’m a Cyborg von Parks letzten Werken der Rache-Trilogie (Sympathy for Mr. Vengeance, Oldboy, Lady Vengeance) in Atmosphäre und Thema entfernt. Geblieben ist Parks unvergleichliches Gespür für Stil und Optik, das seine ungewöhnliche Lovestory durchzieht. Von der Einleitung und der Einführung in Young-goons Schicksal über die Bebilderung ihrer Cyborg-Phantasien bis hin zum ruhigen, märchenhaften Finale, der Film erfindet sich und seine Verpackung immer wieder aufs Neue.

Park bombardiert den Zuschauer aber nicht nur mit visuellen Spielereien und abgedrehten Ideen, zu denen jodelbesessene Asiaten und blinkende Zehennägel gehören, vor allem erzählt er eine ergreifende Geschichte von der häufig schwierigen Suche nach Identität und Individualität. Man muss dazu nur die skurrile Fassade beiseite schieben. Die Art und Weise, wie sich Il-sun Zutritt zu Young-goons Herzen verschafft, folgt einer im Universum dieser Zwei bezaubernden Logik und Poesie, die I’m a Cyborg endgültig als die koreanische Antwort auf Amélie ausweist.

Für Programmkino.de.

Freitag, Januar 11, 2008

Der Nebel - Auszeit für Gutmenschen


USA 2007

++1/2

„Von den Machern von The Green Mile und Die Verurteilten“ prangt es in großen Lettern auf dem Filmplakat zur neuesten Stephen King-Adaption Der Nebel. Einer dieser Macher ist Frank Darabont. Der gebürtige Franzose, der seine Karriere in Hollywood als Autor von Horrorstreifen wie Nightmare in Elm Street III und Der Blob Mitte der 80er Jahre begann, führte bereits zum vierten Mal Regie bei einer King-Novelle. Doch anders als bei seinen letzten Arbeiten handelt es sich bei Der Nebel nicht um ein weiteres Gutmenschen-Drama. Eher bedient der Film mit seiner düsteren, apokalyptischen Stimmung Kings Stamm-Klientel. Die Vermarktung mit dem Verweis auf Die Verurteilten und The Green Mile erscheint vor diesem Hintergrund reichlich irreführend, dürfte sie doch manch einen Kinogänger zu falschen Schlüssen verleiten.

Im Grunde stellt Kings Kurzgeschichte lediglich eine leichte Abwandlung bekannter Horrorfilm-Tableaus da. Eine Gruppe unterschiedlicher Charaktere findet sich zur falschen Zeit am falschen Ort wieder, wo eine unheimliche Bedrohung über die bunt zusammengewürfelte Zwangsgemeinschaft hereinbricht. So wird in Der Nebel ein Supermarkt zum Schauplatz des Schreckens. Die Gefahr geht dabei jedoch nicht allein von der dichten Nebelwand aus. Neben einer Vielzahl scheußlicher Kreaturen wie Killer-Spinnen, hungrige Käfer-Horden und mysteriösen Tentakelwesen, denen der Sinn nach menschlichem Frischfleisch steht, sind auch die Eingeschlossenen an ihrer Lage nicht ganz unschuldig. Religiöser Fanatismus und sorgsam geschürte Paranoia sorgen dafür, dass der Blutzoll nicht nur auf das Konto der Krabbel-Invasoren geht.

Dabei beginnt alles recht harmlos. Ein Sturm fegt über das kleine Ostküsten-Städtchen hinweg. David (Thomas Jane) muss mitansehen, wie ein Baum umknickt und durch das Fenster seines Ateliers stürzt. Als er sich mit seinem Sohn Billy (Nathan Gamble) und Nachbarn Brent (Andre Braugher) auf dem Weg zum nahe gelegenen Supermarkt macht, entdecken sie über dem angrenzenden See einen mysteriösen Nebelschleier. Am Supermarkt angekommen spitzt sich die Situation weiter zu. Der Strom ist ausgefallen und der Nebel droht, die gesamte Umgebung zu „verschlucken“. David bleibt nichts anderes übrig, als zusammen mit den anderen Kunden und den Angestellten auf den Rückzug des Nebels zu warten.

Nicht wissend, welche Gefahr sich hinter den weißen Nebelschleiern verbirgt, macht sich unter den Eingeschlossenen allmählich Panik breit. In dieser Situation trägt der Angriff der Krabbel-Armee nicht unbedingt zum Erhalt der zivilen Ordnung bei. Eher bewirkt er das genaue Gegenteil. Es bilden sich Gruppen, die weniger gegen die Eindringlinge als vielmehr gegeneinander kämpfen. Allen voran die religiöse Fanatikern Mrs. Carmody (Marcia Gay Harden) scheint sich in ihrem Wahn zu verlieren und andere mit ihren kruden Überzeugungen über eine drohende Apokalypse zu infizieren.

Es ist offensichtlich, dass ihre Person vor allem als Replique auf die Weltanschauung der Evangelicals gedacht ist. Jene fundamentalen Christen verhalfen George W. Bush maßgeblich mit ihrer Stimme zum Einzug ins Weiße Haus. Seitdem King die Novelle 1980 erstmals veröffentlichte, hat sich ihr Einfluss in Politik und Gesellschaft erheblich vergrößert. Die in den letzten Jahren verbissen geführte Diskussion um die Intelligent Design-Theorie, welche Darwins Erkenntnisse über die Evolution komplett negiert, zeigt dies beispielhaft. Religiöse Überzeugungen – egal, welcher Couleur – bahnen sich zunehmend ihren Weg in staatliche Hoheitsgebiete wie das Schulwesen.

Überhaupt drängt sich eine Lesart der Ereignisse förmlich auf. Demnach ging es Darabont anscheinend darum, das von gewissen Kreisen geschürte Klima der Einschüchterung und Paranoia zu enttarnen und filmisch zu verarbeiten. Bereits die Tagline „Angst verändert alles“ stellt auf einen solchen Interpretationsansatz ab. Wenn eine Gemeinschaft nur noch von Angst geleitet wird, führt das direkt in einen Zustand des Chaos und der Anarchie, wo letztlich einzig und allein das Gesetz des Stärkeren gilt. Nur mutige Menschen wie David, der zusammen mit Gleichgesinnten wie dem schrulligen Ladenbesitzer Ollie (Toby Jones) und der resoluten Irene (Frances Sternhagen) den Radikalen Paroli bietet, können daran vielleicht noch etwas ändern.

Es sind die in Nebenrollen groß aufspielenden Sternhagen und Jones, die dem Publikum besonders ans Herz wachsen dürften. Wenn Sternhagen mit ihren 77 Jahren Feuerzeug und Spraydose herausholt, um den Spinnen den Garaus zu machen, möchte man spontan applaudieren. Jane hat es da ungleich schwerer, aus den engen Grenzen seiner im Grunde reichlich langweiligen Rolle auszubrechen. Zwischen den Sympathieträgern Jones und Sternhagen sowie der von Marcia Gay Harden mit vollem Einsatz verkörperten Mrs. Carmody wirkt er zuweilen verloren und überfordert.

Darabonts vierte King-Verfilmung ist immer dann stark, wenn sie die Bedrohung nur andeutet. Solange die Kreaturen lediglich schemenhaft zu erkennen sind, fließt das Adrenalin. Die qualitativ nicht wirklich überzeugenden CGI-Effekte zerstören in den Nahaufnahmen dafür sämtliche Illusionen. Da hilft es auch nicht, dass der Film in Sachen Gewalt und Gore ordentlich hinlangt. So gesehen folgt auf eine atmosphärisch dichte erste Dreiviertelstunde ein etwas längerer Durchhänger. Versöhnlich stimmt wie Darabont den bei King recht offenen Ausgang mit Zustimmung des Meisters abänderte. Das Finale ist für eine derart große Hollywood-Produktion geradezu radikal. Es bricht mit sämtlichen Happy End-Fantasien, die man gemeinhin im Kino vorgesetzt bekommt. Es überschreitet Grenzen und durchkreuzt unsere Hoffnungen. Kein Zweifel: Der Gutmensch Frank Darabont verabschiedet sich, der Sadist übernimmt das Ruder.

Für BlairWitch.de.

Montag, Januar 07, 2008

I am Legend - Rehe am Times Square


USA 2007

+++

Spoilerwarnung bzgl. des letzten Absatzes!

Er glaubt, der letzte Mensch auf Erden zu sein. Der Virologe Robert Neville (Will Smith) zieht mit seinem einzigen Begleiter, der Schäferhündin Sam, durch die verlassenen Straßen New Yorks. Nachdem ein genmanipuliertes Virus, das eigentlich zur Bekämpfung von Krebs entwickelt wurde, eine Pandemie unbeschreiblichen Ausmaßes auslöste, gleicht die Metropole einer Geisterstadt. Aus unerfindlichen Gründen ist Neville immun gegen das Virus – scheinbar als Einziger. Doch er ist nicht allein. Sobald die Sonne untergeht, wagen sich unheimliche Kreaturen aus ihren Verstecken. Die Mutanten erscheinen dabei als eine Kreuzung aus blutsaugenden Vampir-Monstern und wieselflinken Untoten. Sie beobachten Neville bei seinen Streifzügen auf Schritt und Tritt.

Auch wenn er bislang niemandem begegnet ist, der sein Schicksal teilt, gibt Neville tief in seinem Herzen die Hoffnung nicht auf, dass es irgendwo da draußen noch weitere Überlebende geben könnte. Als früherer Militär-Wissenschaftler weiß Neville, dass er nur mit Disziplin in einem derartigen Chaos überleben kann. Aus diesem Grund hat er seinen Tagesablauf akribisch durchgeplant. Wenn er nicht gerade seine Fitness trainiert, durchsucht er zusammen mit Sam die Stadt nach Vorräten oder arbeitet in seinem Kellerlabor an einem Gegenmittel.

So vergehen die Tage, ohne dass Neville weder bei seinen Labor-Experimenten noch bei der Suche nach anderen Menschen wirklich vorankäme. Es ist erstaunlich, wieviel Zeit sich I am Legend für die Beschreibung eines dystopischen Szenarios nimmt, das mit nur wenig Action und – bedingt durch das Setup – mit noch weniger Text auskommt. Nahezu zwei Drittel des Films zeigen Nevilles Überlebenskampf in den gespenstisch leeren Straßen New Yorks, wo sich die Natur mit jedem Tag das zurückholt, was ihr der Mensch zuvor in Jahrhunderten genommen hat. Es mutet schon reichlich skurril an, wenn Orte, an denen gemeinhin das Leben pulsiert plötzlich als übergroßes, leinwandfüllendes Stillleben daherkommen. Die Stadt, die niemals schläft, scheint in eine Art Schockstarre gefallen zu sein. Vor Grand Central grasen Rehe und sogar am Times Square stört kein Verkehrslärm die ungewohnte urbane Ruhe.

Wie in Danny Boyles Zombie-Schocker 28 Days later, der seinerzeit die City von London in eine Geisterstadt verwandelte, sind es genau diese Aufnahmen des menschenleeren Manhattans, die den stärksten Eindruck hinterlassen. Die Dreharbeiten an den Originalschauplätzen kamen einer logistischen Meisterleistung gleich. Wer nur einmal das Chaos rund um den Times Square erlebt hat, wird dem nicht widersprechen wollen. Obwohl Regisseur Francis Lawrence (Constantine) bei seiner ungewöhnlichen New York-Tour durchaus den Konventionen des modernen Action-Kinos folgt und den Angriff der infizierten Massen mit lautem Getöse in Szene setzt, hebt sich I am Legend die meiste Zeit über wohltuend von den nicht selten hohlen Big Budget-Produktionen Hollywoods ab.

So gelingt es Lawrence, dem Zuschauer die zwei Seiten von Nevilles Robinson Crusoe-Dasein über einen konzentrierten und im positiven Sinn einfachen Plot näher zu bringen. Einerseits genießt er die Freiheit, all das tun zu können, wonach ihm gerade der Sinn steht. Er kann auf einem vor Anker gegangenen Flugzeugträger Golf spielen oder im schicken Sportflitzer durch Manhattan rasen. Nichts und niemand hindert ihn daran. Auf der anderen Seite leidet er aber auch unter der Vorstellung, der letzte Überlebende zu sein. Um an Einsamkeit und Verzweiflung nicht zu ersticken, bleibt ihm nichts anderes übrig, als Sam gelegentlich sein Herz auszuschütten oder mit Schaufensterpuppen eine besondere Form der Konversation zu pflegen.

Die mittlerweile dritte Verfilmung von Richard Mathesons wegweisenden Roman steht und fällt mit ihrem Hauptdarsteller. I am Legend wurde erkennbar auf Superstar Will Smith zugeschnitten. Und dieser revanchiert sich mit einer verletzlichen und nicht selten hochemotionalen Darstellung. Nach Auftritten in eher Mainstream-tauglichen Feel Good-Movies wie Hitch – Der Datedoktor und Das Streben nach Glück vollzieht er mit der Rolle des Robert Neville zudem einen überaus klugen Imagewechsel. Der Erfolg an den Kinokassen dürfte ihm die Möglichkeit eröffnen, zukünftig auch wieder stärker als Charakterdarsteller wahrgenommen zu werden, der nicht ausschließlich über coole Sprüche und den antrainierten Sixpack definiert wird (wobei es beides auch hier zu bestaunen gibt).

Dass der Film gegen Ende seine düstere Zustandsbeschreibung zugunsten des bekannten Zombie-Horror-Szenarios aufgibt, bei dem Smith in Bruce Willis Fußstapfen treten und die Menschheit vor ihrem Untergang retten darf, mag ein Schönheitsfehler sein. Jedoch kann selbst diese Auflösung den positiven Gesamteindruck nicht ernsthaft gefährden. I am Legend steht für engagiertes Blockbusterkino, wie man es viel zu selten antrifft.

Für BlairWitch.de.

Samstag, Januar 05, 2008

Spuren eines Lebens - Drama, Baby, Drama


USA 2007

+1/2

Gleich ein halbes Dutzend von Hollywoods renommiertesten Schauspielerinnen veredeln Lajos Koltais Roman-Verfilmung Spuren eines Lebens. Mit seiner Vermischung von Fiktion und Wahrheit, Leben und Tod, Liebe und Leiden erweist sich die Geschichte als ein vorrangig für ein weibliches Zielpublikum konstruiertes Melodram. Die Ähnlichkeit zum Virginia Woolf-Drama The Hours ist dabei kein reiner Zufall. Immerhin beauftragten die Produzenten The Hours-Autor Michael Cunningham mit der Adaption der erfolgreichen Vorlage von Susan Minot.

Filmkritik:

Wenn der eigene Tod näher rückt und die Endlichkeit des Seins auf dieser Welt mit aller Macht ihren Tribut fordert, dann blickt der Mensch zurück auf das, was er erlebt hat und auf die Entscheidungen, die er am liebsten rückgängig machen würde. Auch Ann Lord (Vanessa Redgrave) reist in ihren Erinnerungen zurück in der Zeit. Auf dem Sterbebett offenbart sie ihren beiden Töchtern Constance (Natasha Richardson) und Nina (Toni Collette) ein großes Geheimnis. Als sie noch unverheiratet war und Ann Grant (Claire Danes) hieß, lernte sie auf der Hochzeit ihrer besten Freundin Lila Wittenborn (Mamie Gummer) einen attraktiven Mann (Patrick Wilson) kennen. Harris – ein guter Freund der Familie Wittenborn – löste in ihr ein bis dahin vollkommen unbekanntes Gefühlschaos aus. Umso mysteriöser erscheint es ihren Töchtern, dass ihre Mutter den Namen „Harris“ zuvor in all den Jahren noch nie erwähnte. Vielleicht handelt es sich bei ihm daher in Wirklichkeit lediglich um einen Fiebertraum, von dem Ann glaubt, er sei real.

Constance und Nina fühlen sich hin- und hergerissen zwischen dem, was ihre Mutter erzählt und dem, was sie glauben möchten. Dennoch beginnen sie, in der Vergangenheit ihrer Mutter nach Antworten zu suchen. Wer ist dieser Harris? In welcher Beziehung stand er zu Ann? Und was hat es mit dem Mord auf sich, den sie nicht müde wird, zu erwähnen?

Es dürfte schwer werden, in diesem Jahr eine vergleichbar prominent besetzte Literaturadaption zu finden. Neben Schauspiel-Veteranninnen wie Vanessa Redgrave, Glenn Close und Meryl Streep – letztere übernimmt im zweiten Handlungsstrang der Erzählung die Rolle von Anns Freundin Lila, die in den Rückblenden von Streeps eigener Tochter Mamie Gummer verkörpert wird – spielen Claire Danes, Patrick Wilson und Toni Collette. Dabei zeigt sich, dass Spuren eines Lebens, der auf dem Roman-Bestseller von Susan Minot basiert und von The Hours-Autor Michael Cunningham für die Leinwand adaptiert wurde, mit seiner recht kalkulierten Mischung aus Herzschmerz, Melodrama und einer romantischen Liebesgeschichte vor allem ein weibliches Publikum ködern möchte.

Die Verwandtschaft zu The Hours fällt nicht zuletzt vor dem Hintergrund der miteinander verwobenen, unterschiedlichen Zeitebenen auf. Die Handlung spielt in etwa zu gleichen Teilen in den Jahren 1954 und 1998. Allerdings mangelt es vor allem dem 98er-Segment an einer interessanten Entwicklung von Plot und Charakteren. Die Schwestern machen natürlich die eine oder andere Entdeckung, die das Leben ihrer Mutter in einem anderen Licht erscheinen lässt. Doch das allein reicht nicht, um die oftmals statische Rahmenhandlung wirklich voranzubringen.

Immerhin weiß Regisseur Lajos Koltai, Minots Roman optisch ansprechend zu bebildern. Dass er sich als gelernter Kameramann der Ästhetik eines Films besonders verbunden fühlt, deutet bereits die erste Szene an. So scheinen die Aufnahmen vom Landsitz der Wittenborns aus einem Douglas Sirk-Drama oder den Gemälden Norman Rockwells herauskopiert worden zu sein. Prachtvoll erstrahlt die sorgsam herausgeputzte weiße Fassade inmitten der saftigen, grünen Wiesen. Indes können auch diese Bilder die inhaltliche Seichtheit nicht zu Gänze überdecken. Der Eindruck, hier sei schauspielerisches Potenzial ohne Not an ein bestenfalls durchschnittliches Melodram verschenkt worden, bleibt davon unberührt.

Für Programmkino.de.

Donnerstag, Januar 03, 2008

Wir verstehen und wunderbar - Was sich liebt, das neckt sich


F 2007

++1/2

Wer hat etwas gegen harmlose, dabei aber liebevoll vorgetragene Unterhaltung? Ich jedenfalls nicht. Die beiden Schauspiel-Größen Charlotte Rampling und Jean Rochefort geben sich in dieser leichten, französischen Screwball-Komödie einem infantilen Geschlechter-Krieg hin - mit von Beginn an klarem Ausgang. Weiterlesen auf Critic.de.