Sonntag, Mai 24, 2009

Der Fluch der zwei Schwestern


USA 2009

+1/2

Würde man all die Horrorfilme aufzählen, deren Handlung in der Psychiatrie beginnt und/oder endet, man wäre vermutlich einige Stunden beschäftigt. In diese illustre Sammlung, die kruden Murks (Gothika) ebenso wie so manches Highlight (Haute Tension) umfasst, reiht sich auch Der Fluch der zwei Schwestern ein. Anders als der englische Originaltitel (The Uninvited) deutet die hiesige Übersetzung bereits die enge Verwandtschaft zum koreanischen Überraschungserfolg A Tale of Two Sisters an, der vor knapp sechs Jahren auch außerhalb seines Heimatlandes für Furore sorgte. Damals, als die scheinbar unendliche Welle des Asia-Horrors mit seinen blassen Gestalten und okkulten Geistergeschichten über uns hinwegschwappte, stach Kim Ji-woons Film aus der Masse der fernöstlichen Genre-Beiträge deutlich heraus. Und weil sogar höchstens durchschnittliche Vertreter wie Takeshi Miikes One Missed Call eine US-Kopie nach sich zogen, überrascht es nicht, dass Hollywood auch ein Remake der beiden Schwestern in Auftrag geben ließ.

Die Ausgangslage ähnelt dabei noch der des Originals. Anna (Emily Browning), ein junges Mädchen von vielleicht 15 oder 16 Jahren, kann nach einem längeren Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik endlich zu ihrer Familie zurückkehren. Nach dem tragischen Tod ihrer schwerkranken Mutter hofft sie auf einen Neuanfang zusammen mit ihrem Vater (David Strathairn) und Alex (Arielle Kebbel), ihrer älteren Schwester. Tatsächlich muss Anna schon bald feststellen, dass auch Rachel (Elizabeth Banks), die ehemalige Pflegerin ihrer Mutter, in der Zwischenzeit in das großzügige Anwesen mit eingezogen ist. Rachel und Annas Vaters lieben sich. Das Paar schmiedet sogar bereits Hochzeitspläne, was der psychisch ohnehin labilen Anna einen schweren Schock versetzt. Ihr Misstrauen wächst, als sie Rachels zweifelhafter Vergangenheit auf die Schliche kommt. Zusammen mit Alex versucht sie ihren Dad davon überzeugen, dass Rachel nicht die ist, für die sie sich ausgibt.

Unter der Regie des britischen Bruderpaares Charles und Thomas Guard (alias „The Guard Brothers“) schlägt Der Fluch der zwei Schwestern von Beginn an die Richtung eines konventionellen Gruselthrillers ein, dessen Psycho- und Geisterelemente nur noch entfernt an das koreanische Vorbild erinnern. Während Kim Ji-woon in langen, ruhigen und deshalb so bedrohlichen Einstellungen die Flure und Zimmer der elterlichen Villa erkundete, spielt der Schauplatz in der Neuauflage so gut wie keine Rolle mehr. Stattdessen dominieren kurze Thrills und bekannte Genre-Versatzstücke die deutlich auf mehr Action und Tempo ausgerichtete Handlung. An die Stelle eines unheimlichen Knarrens oder anderer, zunächst nicht einordbarer Geräusche setzen die Brüder schon in der Einleitung den offensichtlichsten Schockeffekt (in Form eines blutverschmierten Plastiksacks).

Obwohl immer wieder davon die Rede ist, dass Anna die Vergangenheit verarbeiten und lieber gleich vergessen soll, interessiert sich der Film nur sehr eingeschränkt für die Psyche und Befindlichkeit seiner Hauptfigur. Annas Geisteszustand ist im Grunde nur dann von Belang, wenn der Zuschauer über die Vorgänge wieder einmal in die Irre geführt werden soll. Bildet sich Anna die dunklen Absichten ihrer Stiefmutter in spe nur ein oder führt die sexy Blondine tatsächlich etwas Böses im Schilde? Indes stellt sich eine ganz andere Frage: Wenn sich schon die Macher nicht sonderlich für ihre Figuren interessieren, aus welchem Grund sollte der Zuschauer an den familiären Verwicklungen Anteil nehmen? In Kim Ji-woons Original gab es zum Ende hin eine erschütternde und zugleich tief traurige Szene, die einen abseits aller Horror-Kabinettsstückchen die ganze Tragik der Geschichte intuitiv nachempfinden ließ. Darin wird der Tochter plötzlich bewusst, dass sie die Vergangenheit und all die Schmerzen und Erinnerungen, die damit verbunden sind, nur ablegen kann, wenn sie ihren eigenen Tod als Ausweg akzeptiert. Einen ähnlich packenden Moment sucht man hier leider vergebens.

Skeptiker dürften sich somit in ihrer Vermutung bestätigt sehen, dass der Remake-Versuch eines an sich nahezu perfekten Films fast immer zum Scheitern verurteilt ist. Dabei machen die Schauspieler - allen voran die junge Emily Browning - gar keine schlechte Figur. Nur werden sie und ihre Rollen in das viel zu enge Korsett eines fantasielosen Drehbuchs gezwungen, das sich weitgehend erfolglos an Genre-Klischees (unheilvolle Visionen, aufmüpfige Geister) abarbeitet. Die Mär von der mordenden Erbschleicherin, die auf ihre misstrauische Stieftochter trifft, entsprang bei Kim Ji-woon zumindest einem stringenten, psychologischen Konzept. Der finale Plot-Twist verwirrte und schockierte gleichermaßen. Vermutlich aus Angst, der Zuschauer könnte mit einer solchen Auflösung womöglich überfordert sein und frustriert das Kino verlassen, entschied man sich dieses Mal für ein abgeschwächtes Ende, das nach mehreren Rückblenden und einer allerletzten Pointe keine Fragen mehr offen lässt. Da aber auch der übrige Film ohnehin nicht an die Komplexität des Originals heranreicht, ist diese Entscheidung fast schon wieder konsequent.

Für BlairWitch.de.