Samstag, Oktober 30, 2010

R.E.D. - Älter, Härter, Besser?


USA 2010

++1/2

Der demographische Wandel macht auch vor dem Kino nicht halt und so kämpft, prügelt und schießt sich in R.E.D. eine äußerst vitale Rentner-Combo ihren Weg bis in höchste Regierungskreise frei. Mit Action-Ikone Bruce Willis, Oscar-Preisträgerin Helen Mirren sowie John Malkovich und Morgan Freeman gelingt dem Film dabei ein echter Besetzungscoup. Weiterlesen auf Koeln.de.

Donnerstag, Oktober 28, 2010

I am Love - Kühle Eleganz


I 2009

++

Zehn Jahre Vorbereitungszeit verschlang die italienischen Familiensaga I am Love, in der sich die unglückliche Ehefrau eines reichen Patriarchen in eine folgenschwere Affäre flüchtet. Oscar-Preisträgerin Tilda Swinton glänzt in der Hauptrolle mit der ihr eigenen Mischung aus damenhafter Eleganz und sublimer Erotik. Filmemacher Luca Guadagnino baut um seine Muse jedoch eine recht schematische Geschichte, die zwischen Seifenoper und ambitionierten Drama schwankt.

Filmkritik:

Gerade in Italien ist der Einfluss einiger weniger Unternehmerfamilien bis heute in Politik und Gesellschaft spürbar. Die an realen Vorbildern angelehnte Industriellen-Dynastie der Recchis, ein Clan einflussreicher Textilproduzenten, steht im Mittelpunkt von Luca Guadagninos Familiendrama I am Love. Aufgebaut ist sein Film um die elegante, schillernde Emma, die von Tilda Swinton verkörpert wird und die als Ehefrau des Firmenpatriarchen Tancredi Recchi (Pippo Delbono) in einem gefühlten Gefängnis lebt. Obwohl umgeben von Luxus und allerlei schönen Dingen ist ihre Beziehung zu dem machtbewussten Unternehmer schon länger merklich abgekühlt. Das Anwesen der Familie gleicht für die gebürtige Russin Emma immer mehr einem Grab aus kaltem Stein. Eine Flucht hieraus, so scheint es, wäre zwecklos.

Doch dann gibt es sie, die Chance, den goldenen Käfig hinter sich zu lassen und auszubrechen, auch wenn das nicht ohne schmerzhafte Folgen bleiben wird. Über ihren Sohn Edoardo (Flavio Parenti) lernt sie den ambitionierten Koch Antonio (Edoardo Gabriellini) kennen. Emma verliebt sich ihn und in sein Essen, das ihr lange Zeit unbekannte Gelüste verschafft. Ihre Reaktion auf ein von Antonio zubereitetes Gericht fällt unmissverständlich aus. Als sie davon kostet, versinkt die Welt um sie herum in der Bedeutungslosigkeit. All ihre Sinne sind in diesem Moment nur auf diesen einen Genuss fixiert, den Guadagnino wie einen Orgasmus filmt und zelebriert.

Die Dialektik von Aktion und Reaktion gilt in I am Love bis zur letzten Einstellung. Jede Handlung verlangt nach einer Konsequenz. In dieser beinahe mechanischen Logik kann Guadagninos Familiensaga bisweilen recht ermüdend sein, wenngleich der Film seine eher überschaubare Struktur immer wieder geschickt zu tarnen und zu verschleiern weiß. Die Ablenkungsmanöver spielen sich dabei zumeist auf Ebene der formal strengen Bildkomposition ab. So will hier jede Einstellung zugleich auch etwas über die Figuren, ihre Beziehungen zueinander und ihre jeweiligen Gefühlslagen aussagen. Nicht zufällig ist mit Emmas Affäre ein Schauplatzwechsel verbunden. Von der mondänen, aber kalten Mailänder Stadtvilla zieht es sie zu ihrem Geliebten aufs Land. Dort, mitten in der Natur zwischen Blüten und Bienen, ist schließlich der Ort, an dem ihre Amour fou ausgelebt werden kann.

Die mächtige, dominante Musik mit ihren absichtlichen Überakzentuierungen gibt hierbei den Rhythmus vor. Sie treibt die zunächst statische Handlung voran, bis diese im letzten Drittel eine besondere, melodramatische Eigendynamik entfaltet. Folgerichtig endet I am Love dann auch mit dem erwarteten großen Knall, bei dem Emma um ein anderes, selbstbestimmtes Leben kämpft. Für Tilda Swinton ist die Rolle ein weiteres Glanzstück in ihrer an großen Frauenfiguren ohnehin nicht armen Schauspielkarriere. Die Oscar-Preisträgerin kleidet Emma in eine zerbrechliche Hülle aus distinguierter Eleganz und unterdrückter Erotik, die nach und nach mehr zum Vorschein kommt. So sinnlich und differenziert wie sie ihre Umwelt wahrnimmt, ist Guadagninos Familienchronik jedoch nicht geraten.

Für Programmkino.de.

Dienstag, Oktober 26, 2010

In ihren Augen - Ein Schmerz, die niemals endet


ARG/ESP 2009

+++1/2

Aus Argentinien stammt der diesjährige Preisträger des „Auslands-Oscar“. Das vielschichtige Kriminaldrama In Ihren Augen setzte sich dabei gegen so prominente Beiträge wie Das weiße Band durch. Formal weniger streng aber nicht minder fesselnd und eindringlich erzählt Regisseur Juan José Campanella von einem düsteren Verbrechen in politisch unruhigen Zeiten und einem mit dessen Aufklärung betrauten Kommissar, den seine Erinnerungen an den Fall auch nach einem Vierteljahrhundert nicht loslassen.


Filmkritik:

Benjamin Esposito (Ricardo Darin) hat in seiner langen Laufbahn als Kriminalbeamter viele schreckliche Dinge gesehen. Doch ein besonders grausamer Vorfall verfolgt ihn bis heute. Die brutale Vergewaltigung und Ermordung einer jungen Frau, die inzwischen ein Vierteljahrhundert zurückliegt, lässt den erfahrenen Ermittler auch einfach nicht los. Er beschließt, einen Roman zu schreiben und die Ereignisse von damals aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Dabei begegnet er auch Irene (Soledad Villamil) wieder, der Liebe seines Lebens. Als seine Vorgesetzte hat sie ihn damals bei seinen Recherchen immer unterstützt. Heute ist sie Richterin und ziemlich überrascht, als ihr alter Weggefährte sie besucht.

In ihren Augen unternimmt ausgehend vom Jahr 2000 eine Reise zurück in eine dunkle, für Argentinien bis heute schmerzhafte Vergangenheit. Mitte der siebziger Jahre befand sich das Land im Umbruch. Wirtschaftliche wie politische Unruhen sorgten hierbei für ein Klima der Angst und des Misstrauens, das von paramilitärische Gruppen und kriminellen Banden noch geschürt wurde. In diese Zeit fällt der Mordfall, der Espositos Leben und das seines damaligen Kollegen Sandoval (Guillermo Francella) grundlegend verändern wird. Es sind schwierige Ermittlungen, vor allem weil die Beamten immer wieder das Gefühl haben, dass nicht alle an der Wahrheit und einer Aufklärung des Falls interessiert sind. Schließlich versuchen Espositos Kollegen, das Verbrechen zwei Bauarbeitern anzulasten, die unter Druck den Mord gestehen.

Das in diesem Jahr mit dem Oscar für den „Besten fremdsprachigen Film“ ausgezeichnete Kriminaldrama changiert mit einer außergewöhnlichen Leichtigkeit und Eleganz zwischen Genres, Stimmungen und Erzählebenen. Regisseur Juan José Campanella, der in den USA bereits solch erfolgreiche TV-Serien wie Dr. House und 30 Rock inszenierte, versteht es, den Zuschauer von Beginn an für das, was er erzählen möchte, zu interessieren und ihn dabei über seine vielschichtigen Figuren in eine zunehmend komplexe Geschichte zu entführen. So berührt der Fall nicht nur Esposito ganz persönlich, aus ihm und seinem Verlauf ergeben sich zugleich Fragen die damalige argentinische Gesellschaft betreffend. Das sicherlich nicht ganz unerwartete Ende beschreibt in seiner durchaus bitteren Konsequenz menschliche Traumata, deren Mechanismen sich nur schwerlich in Kategorien von Recht und Gerechtigkeit einordnen lassen.

Je länger man über In ihren Augen nachdenkt, desto stärker treten wieder einzelne Momente und Szenen aus der eigenen Erinnerung hervor. Dabei ist die mit viel trockenem Humor angereicherte Kriminalgeschichte auch handwerklich gängigen TV-Formaten oder der Kinoadaption von Stieg Larssons Millennium-Trilogie weit überlegen. Zu den Höhepunkten zählt eine ungemein dynamische, ohne erkennbaren Schnitt gefilmte Verfolgungsjagd in den Katakomben eines Fußballstadions. Die Intensität dieser Sequenz reißt jede Distanz ein. Plötzlich wird aus der Anspannung der Ermittler eine miterlebte Erfahrung, bei der man beinahe vergisst, dass man eigentlich nur ein passiver Beobachter ist. Immer wieder fordert uns Campanella auf diesem Wege heraus. Er will, dass wir mit seinem Helden fühlen, leiden, uns freuen und lieben. Dessen viel zu großes Herz verleiht der Geschichte erst ihre traurige Seele. Es ist ein Herz, das mit jedem Schlag sich allein der Wahrheit verpflichtet fühlt und das In Ihren Augen zweifelsfrei zu einer Perle des südamerikanischen Kinos macht.

Erschienen bei Programmkino.de.

Samstag, Oktober 23, 2010

Wall Street - Geld schläft nicht


USA 2010

++1/2

Mehr als zwei Jahrzehnte nach Wall Street kehrt Regie-Provokateur Oliver Stone an die alte Wirkungsstätte zurück. Seine mit Spannung erwartete Fortsetzung greift die Ereignisse der Finanzkrise auf und verknüpft sie mit einem für Gordon Gekko gänzlich untypischen, emotionalen Vater-Tochter-Wiedersehen. Zur Kritik auf Koeln.de.

Dienstag, Oktober 19, 2010

Ondine - Das Mädchen aus dem Meer


IRL/USA 2009

++1/2

Neil Jordan inszenierte in seiner Heimat Irland eine zauberhafte Liebesgeschichte, in der eine junge Frau und ein stoischer Fischer nach zaghafter Annäherung zueinander finden. Der von Christopher Doyle stilvoll fotografierte Film spielt mit Motiven aus alten Sagen und Mythen, wobei Jordan in letzter Konsequenz die märchenhafte Aura zugunsten einer doch recht konventionellen Dramaturgie aufgibt. Gleichwohl überwiegen am Ende die positiven Eindrücke – auch dank eines starken Colin Farrell.

Filmkritik:

Die Frau aus dem Meer. In der Überlieferung alter Mythen und Legenden hat sie die Jahrhunderte überlebt. Mal nennt man sie Nixe, dann wieder Meerjungfrau, Wassergeist oder Undine. Die Schotten und Iren bezeichnen ein solches Fabelwesen gemeinhin als „Selkie“, was übersetzt soviel wie Robbenfrau bedeutet. Dem Begriff liegt die Vorstellung zugrunde, dass eine „Selkie“ beim Verlassen des Wassers ihr Fell ablegen und ab dann in Menschengestalt weiterleben kann. Es ist der Stoff, aus dem nicht selten Märchen sind oder – eine andere Möglichkeit – Filme von Neil Jordan. Der irische Regisseur und Oscar-Preisträger hat im Verlauf seiner Karriere immer wieder bewiesen, dass sein Herz nicht zuletzt für das Fantastische, das Andere schlägt.

Sein neuer Film Ondine fordert vom Zuschauer bereits ganz zu Anfang ein, sich auf eine ungewöhnliche Gratwanderung zwischen alter Sage und modernem Liebesdrama einzulassen. Alles beginnt damit, dass dem raubeinigen Fischer Syracuse (Colin Farrell) eines Tages kein Fisch sondern eine junge, bildhübsche Frau (Alicja Bachleda) ins Netz geht. Erschrocken und überrascht zugleich bietet Syracuse der namenlosen Schönheit seine Hilfe und eine Unterkunft an. Die Frau ohne Vergangenheit lässt ihn fortan nicht mehr los, wobei er seiner eigenen Tochter Annie (Alison Barry) die Begegnung zunächst verschweigt und ihr stattdessen ein nur scheinbar erdachtes Märchen erzählt. Allzu lange kann er diese Version jedoch nicht aufrecht erhalten. Annie merkt, dass ihr Vater etwas verschweigt und so kommt sie sehr bald hinter sein Geheimnis. Während sich zwischen dem Mädchen und der jungen Frau eine tiefe Freundschaft entwickelt, spürt Syracuse, dass er weitaus mehr für seine neue Bekannte empfindet.

Ondine ist ein typischer Genre-Zwitter, dessen einzelne Teile allerdings auch zusammengefügt ein in sich stimmiges Bild abgeben. Je mehr man über die geheimnisvolle Unbekannte erfährt, desto mehr schwindet die anfangs von Jordan zielsicher etablierte märchenhafte Aura zugunsten eines eher konventionellen, dabei aber stets emphatischen Liebesdramas. Allein der Moment, in dem Ondines Vergangenheit in den beschaulichen Fischerort endgültig Einzug hält, mag sich nicht so recht in den übrigen, betont leise erzählten Film einfügen. Ob man es eher bedauert oder begrüßt, dass Jordan am Ende keinen Zentimeter Raum für Interpretationen und Zweideutigkeiten lässt, ist hingegen mehr eine Frage des persönlichen Geschmacks. Die kurzen Ausflüge auf kriminalistisches Gebiet dienen ebenfalls vorrangig einer Klärung der zurück liegenden Ereignisse. Um darüber hinaus als ein echtes Mittel der Suspense wahrgenommen zu werden, schenkt ihnen der Film letztlich zu wenig Aufmerksamkeit.

In Ton und Stimmung orientiert sich Jordans irische Romanze ohnehin stärker an der malerischen, verträumten Landschaft als an der Logik seines düsteren, bestenfalls angerissenen Kriminalfalls. Die grüne Küste mit ihren einsamen Buchten und Inseln, ist in dieser, von alten Mythen beeinflussten Geschichte mehr als nur Kulisse. Kamerakünstler Christopher Doyle fotografiert Irlands Naturschönheiten wie einen Hauptdarsteller, den es prominent in den Vordergrund zu rücken gilt. Dort konkurrieren Doyles Bilder immer wieder mit einem groß aufspielenden Colin Farrell, der nach seinem Auftritt als zweifelnder Profikiller in Brügge sehen und sterben erneut in einer sehr zurückgenommenen, leisen Rolle überzeugt. Seine Filmpartnerin Alicja Bachleda bekommt im direkten Vergleich deutlich weniger Gelegenheit sich auszuzeichnen, was wiederum mit der Anlage ihrer Figur zusammenhängt. Komplettiert wird der Cast von Jordan-Intimus Stephen Rea als Dorfpfarrer und der erst 10-jährigen Alison Barry, die hier ihr Leinwanddebüt gibt.

Für Programmkino.de.

Samstag, Oktober 16, 2010

Piranha 3D - CrazySexyCool


USA 2010

+++


Man nehme eine gefräßige Meute urzeitlicher Killerfische, ein vergnügungssüchtiges Partyvolk, jede Menge Blut, unzählige Silikonbrüste und zernagte Körperteile en Masse. Das 3D-Remake des Horrorklassikers Piranha lässt von Beginn an keinerlei Zweifel zu, worauf es ihm ankommt. Weiterlesen.

Montag, Oktober 11, 2010

Twelve - Eiskalte Engel


USA 2010

++

Die Romanverfilmung Twelve wirft einen bitteren Blick in die Leben gelangweilter, reicher Großstadtkids. Die vornehme New Yorker Upper East Side wird darin zum Schauplatz ausschweifender Partys und fast selbstverständlicher Drogentrips. Der mit durchweg hübschen Jungstars besetzte Ensemblefilm basiert auf der Vorlage eines Insiders: Mit nur 17 Jahren schrieb Nick McDonell über eine kaputte Jugendszene, der er selbst lange Zeit angehörte. Aus ihm sprechen Wut, Frust und Resignation.

Filmkritik:

Die Upper East Side zählt zu den nobelsten Gegenden Manhattans. Dort leben Menschen, die sich zumindest über ihr finanzielles Auskommen keine wirklichen Sorgen mehr machen müssen. Die Kinder dieser vornehmen Gesellschaft vergnügen sich auf exklusiven Partys, trinken Champagner und leben auch sonst so dekadent wie nur irgendwie möglich. Zumindest suggeriert uns das Jugend-Portrait Twelve ein derart radikales Bild auf den Nachwuchs der New Yorker High Society. Die Vorlage zum Film stammt von einem, der es eigentlich wissen muss: Nick McDonell wuchs in der Gegend um den Central Park auf. Mit gerade einmal 17 Jahren schrieb er seinen Roman Twelve. Kurz nach der Jahrtausendwende erklomm dieser die Bestsellerlisten und avancierte bei seinen meist jungen Lesern rasch zu einer Kultlektüre.

Egal, wohin man auch blickt, die Geschichte kreist fortlaufend um Exzentriker, Egomanen und – pardon – reiche Arschlöcher. Die Hauptfigur White Mike (Chace Crawford), McDonells Alter Ego, eignet sich noch am ehesten als Identifikationsfigur und Sympathieträger. Nach dem Krebstod seiner Mutter hat er die High School geschmissen. Seitdem ist er bei den Kids in seinem Viertel vor allem dafür bekannt, dass er sie mit Partydrogen wie Marihuana, Kokain und Ecstasy versorgt. Er selbst lässt hingegen von solchen Dingen die Finger. Auch fällt es ihm zunehmend schwer, anderen Menschen ehrlich zu begegnen und ein echtes Vertrauensverhältnis zu ihnen aufzubauen. Sogar seiner alten Schuldfreundin Molly (Emma Roberts) mag er sich nicht anvertrauen und das, obwohl er mehr als nur freundschaftliche Gefühle für sie hat.

Film wie Buch beschreiben mit einer fast schon rauschhaften Rastlosigkeit Mikes soziales Umfeld, sein kurzes Ein- und Abtauchen in eine selbstverliebte Welt des schönen Scheins, in der es vorrangig darum geht, wer das teuerste Auto fährt und die größte Party ausrichtet. Auf einer dieser Privatpartys laufen die zuvor ausgelegten, recht oberflächlich skizzierten Erzählstränge zusammen. Dort kommt es schließlich auch zur Katastrophe, die sich zuvor bereits lange ankündigte und die im Moment ihres Eintreffens dennoch nicht die beabsichtigte Wirkung verfehlt. Twelve evoziert dabei weniger ein fiebriges Sichhineinversetzen als vielmehr Mitleid mit jungen Menschen, die meist berauscht und zugedröhnt durch eine bedrückende Leere taumeln.

Der von Altmeister Joel Schumacher mit großer Routine inszenierte Film verlegt den in Larry Clarks radikaler Jugendstudie Kids beschriebenen Mikrokosmos in die besten Kreise der Stadt. Allein die Bilder sind hier Hochglanz, die Darsteller durchweg Modelltypen und der Sex deutlich weniger explizit. Aufgrund der Vielzahl an Figuren und Episoden geht Twelve nie wirklich in die Tiefe, was schade ist, aber durchaus dem Geist der Vorlage entspricht. Es bleibt bei einer fixen Hetzjagd durch kaputte Leben, an deren Ende der große Knall und ein bitteres Eingeständnis steht.

Für Programmkino.de.

Dienstag, Oktober 05, 2010

The Road - Ein düsterer Abgesang


USA 2009

+++1/2

Die Welt, wie wir sie heute kennen, hat in John Hillcoats The Road längst aufgehört zu existieren. Ein bedrohlicher Dunst hat sich über die Landschaft gelegt, die Bäume erscheinen tot, jedes Leben wie ausgelöscht. Überall, wo man hinsieht, dominiert dasselbe fahle Grau, sogar die Sonne kommt gegen den dichten Wolken- und Staubteppich kaum mehr an. In dieser befremdlichen Tristesse sind ein Vater (Viggo Mortensen) und sein Sohn (Kodi Smit-McPhee) durch ein vollkommen zerstörtes Land unterwegs. Alles, was sie noch haben, passt in einen Einkaufswagen, den sie vor sich herschieben. Ihr Ziel ist so vage wie ungewiss. Nach Süden zieht es sie, ans Meer, wo das Klima vielleicht erträglicher ist und noch andere Überlebende auf sie warten.

Zwischen ihrem alten und ihrem neuen Leben, in dem sie tagtäglich gegen Hunger, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Kälte ankämpfen, liegt eine gewaltige Katastrophe, über deren genaue Ursache nur spekuliert werden kann. Dass der Mensch daran aber nicht ganz unschuldig ist, drängt sich beim Anblick der toten Wälder und verwaisten Straßen als eine Vermutung förmlich auf. Für Vater und Sohn geht es mit jedem neuen Morgen um nichts weniger als das Überleben. Dabei müssen sie sich nicht nur vor heimtückischen Diebesbanden sondern auch vor verstreuten Kannibalen-Gruppen in Acht nehmen. Was ihnen bleibt, ist nur die Erinnerung an früher. Aber auch diese verblasst mit jedem Tag ein bisschen mehr.

Es ist zunächst erstaunlich wie konsequent Regisseur John Hillcoat das deprimierende Endzeitszenario des amerikanischen Schriftstellers Cormac McCarthy hier in unendlich trostlose Bilder umgesetzt hat. Grau ist in dieser Geschichte nicht bloß eine Farbe, es ist zugleich ein Gefühl, das auch nach Ende des Films noch lange nachwirkt und sich in unseren Gedanken festsetzt. Die Angst, auf einmal ganz auf sich alleine gestellt zu sein, wird für Vater und Sohn zu einem ständigen Begleiter. Es ist eine Horrorvorstellung inmitten eines Horrortrips, aus dem man sich wünschen würde, schnellstmöglich wieder aufzuwachen. Doch dazu kommt es nicht. Stattdessen sind die Erinnerungen an früher das Einzige, was in diesem Chaos definitiv nicht real ist.

The Road als Zombiefilm zu kategorisieren, würde vermutlich falsche Erwartungen und Assoziationen wecken. Denn mit den Untoten, denen Romero oder Fulci im Genre einst zur Popularität verhalfen, haben die meist unsichtbaren Mörder in McCarthys Roman nichts gemein. Zudem sind sie im Gegensatz zu den Romero-Zöglingen nicht von den Toten zurückgekehrt, sie ernähren sich lediglich von ihnen. Die Angst vor einem der letzten menschlichen Tabus, dem Kannibalismus, sitzt tief und dementsprechend beunruhigend ist das, was der Film immer wieder andeutet. Wenn der Junge erklärt, dass sie zu den Guten gehören, die keine Leute essen, ahnt man, was das Vater-Sohn-Gespann an grausamen Dingen bereits auf ihrer Reise gesehen haben muss.

Die unbeschwerten Augenblicke sind hingegen rar gesät und meist äußerst kurz. Aber es gibt sie. Schon Kleinigkeiten wie eine in einem demolierten Getränkeautomaten gefundene Cola-Dose oder ein unerhofftes Bad in einem kleinen See samt Wasserfall lassen die beiden kurzzeitig den realen Albtraum um sie herum vergessen. Und dann sind da noch die Begegnungen mit anderen Menschen, die ein ähnliches Schicksal teilen und eine ganz ähnliche Geschichte zu erzählen haben. Zu den stärksten Momenten von The Road gehört dann auch der kurze Auftritt von Robert Duvall als blinder, alter Mann.

Es ist praktisch unmöglich, über Hillcoats post-apokalyptisches Drama zu schreiben, ohne dabei die Leistung von Hauptdarsteller Viggo Mortensen zu erwähnen. Für die Rolle sichtbar abgemagert, lässt sich seine Interpretation des bis zum bitteren Ende für seinen Sohn kämpfenden Vaters nur als schauspielerische Selbstaufgabe umschreiben. Es ist ein bizarr-schauriges Passionsspiel, das mit Christian Bales Rolle in Der Maschinist vergleichbar erscheint. Der körperliche wie seelische Verfall ist auch bei Mortensens Filmfigur unübersehbar und nimmt mitunter besorgniserregende Züge an. Nachwuchsdarsteller Kodi Smit-McPhee – demnächst im US-Remake zum schwedischen Let the Right One in zu erleben – steht Mortenson jedoch in der Überzeugungskraft seines Schauspiels in nichts nach.

McCarthy verhandelt in seinem Roman Fragen von existenzieller Tragweite. Den Leser zwingen sie dazu, eine eigene Position einzunehmen und gleichzeitig immer wieder die Situation des Vaters zu reflektieren. Wenn der Sinn des Lebens allein noch darin besteht zu überleben, welchen Wert hat dieses Leben dann noch? Und will man wirklich weiterleben, wenn der letzte Mensch, der einem nahe stand, den man liebte und der einen liebte, diese Welt verlassen hat? Der Film greift diese und andere unbequeme Fragen auf und übersetzt sie in verstörende, graue Stillleben. Das Glück, so wie wir es kennen, hat in dieser Welt längst kein Zuhause mehr. Und obwohl alle Hoffnung zwischenzeitlich verloren scheint, gibt es da etwas, das unser Herz weiter schlagen lässt. Was es ist, weiß auch McCarthy nicht. In jedem Fall grenzt es an ein Wunder.

Für BlairWitch.de.