Sonntag, September 04, 2011

Rollergirl - Being Different


USA 2009

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Zusammen sind sie ein starkes Team: Drew Barrymore und Juno-Darstellerin Ellen Page. In Barrymores Regie-Debüt Rollergirl vermischt sich eine charmante, temporeiche Coming-of-Age-Geschichte mit reichlich Indie-Feeling und der Dramaturgie eines Sportfilms. Dabei reißt die Subkultur der Rollerszene eine rebellische Teenagerin aus ihrem langweiligen Alltag einer texanischen Kleinstadt.

Filmkritik:

In Bodeen, Texas, ist die Welt noch in Ordnung. Zumindest aus der Sicht mancher Erwachsener, die es sich wie die Eltern der 17-jährigen Bliss Cavendar (Ellen Page) zwischen einem ziemlich langweiligen Job, absurden Miss-Wahlen und ungesundem Fast Food bequem gemacht haben. Während für Bliss’ Dad (Daniel Stern) die regelmäßigen TV-Football-Übertragungen bereits ein echtes Highlight sind, drängt ihre resolute Mutter (Marcia Gay Harden) sie mit Ehrgeiz in eine Ecke, aus der sie lieber heute als morgen ausbrechen würde. Bliss ist anders. Sie macht sich nicht viel aus dem üblichen Mädchenkram, und so erscheint es fast logisch, dass sie sich bei einem Ausflug in das großstädtische Austin vom Gegenentwurf des spießigen Kleinstadtlebens magisch angezogen fühlt.

Bliss besucht heimlich ein Rollerderby. Der rasante Sport, das besondere Gefühl von Freiheit und Abenteuer, die wilden Mädels mit ihren Punk-Klamotten und bunten Tattoos, all das übt auf Bliss eine wahnsinnige Anziehungskraft aus. Mit der kleinen Notlüge, sie sei bereits volljährig, schafft sie es schließlich sogar in die Mannschaft um Maggis Mayhem (Kristen Wiig), Rosa Sparks (Eve), Smashley Simpson (Drew Barrymore) und Bloody Holly (Zoe Bell). Noch aufregender als die Rennen und der harte Wettkampf ist für sie jedoch die Erfahrung der ersten großen Liebe.

Mit der Verfilmung des Romans Whip it von Shauna Cross beweist Regie-Debütantin Drew Barrymore das richtige Gespür bei der Umsetzung einer erfrischenden Coming-of-Age-Geschichte. Nicht nur weil Ellen Page hier wieder einmal ihr Indie-Image pflegt, lassen sich so manche Parallelen zum Oscar-Erfolg Juno konstruieren. Die Dopplungen liegen dabei praktisch auf der Hand. Auch Bliss ist ein rebellischer Teenager, der nur zu gerne mit coolen Sprüchen die eigene Unsicherheit überspielt. Und wie die schwangere Juno sucht sie nach etwas, das sich von ihrem grauen, langweiligen Leben zu Hause deutlich abhebt. Beide Filme zeichnen überdies das Bild eines mitfühlenden, verständnisvollen Vaters – Daniel Stern ist zweifelsfrei die gute Seele der Geschichte –, der bereit wäre, alles für seine Tochter zu tun, wohingegen Bliss’ Mum wie schon Junos Stiefmutter als eher nervige Karikatur herhalten muss.

Mag der Alternative-Anstrich des Films bisweilen wenig originell erscheinen, so erzählt Barrymore doch mit großer Hingabe und Empathie für ihren weiblichen Underdog. Dabei verrät schon die Perspektive, auf was es ihr bei ihrem Regie-Debüt vornehmlich ankommt. In Rollergirl sehen wir die Welt durch die Augen einer 17-jährigen Außenseiterin, die durch die Bekanntschaft mit Gleichgesinnten ein neues Selbstbewusstsein und Selbstverständnis entwickelt. Die Subkultur der Rollerszene mit ihrem ganz besonderen Kodex von Zusammenhalt und Körperkult übernimmt bei dieser temporeichen Coming-of-Age-Variante die Funktion eines sich allmählich öffnenden Ventils. Bliss’ Durchsetzungskraft und Ausdauer, die sie bei den harten Roller-Duellen auf dem engen Oval beweist, nutzt „Rollergirl“ für ein charmantes Plädoyer gegen Konformität und Mittelmaß. Anders sein ist letztlich immer nur eine Frage des Blickwinkels. Das weiß auch Bliss. Auf die Frage, ob sie eine jener „Alternativen“ sei, antwortet sie ohne zu zögern: „Alternative? Alternative to what?“.

Für Programmkino.de.